Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
sich hinein. Er lief ihm aus den Mundwinkeln und tropfte auf sein kostbares Gewand mit der Goldstickerei. Ein Teil kam ihm in die falsche Kehle, und er bekam einen Hustenanfall. Als er vorüber war, versuchte Rastafan aufzustehen. Nach mehreren Ansätzen hatte er damit Erfolg. Unsicher stand er auf den Beinen, mit der rechten Hand die halb volle Kanne schwenkend. »Ich komme, Vater! Wir müssen reden«, lallte er und torkelte auf die Tür zu. Laut singend wankte er in Schlangenlinien durch die wie leer gefegten Korridore. Immer wieder taumelte er gegen eine Wand, blieb kurz stehen, beschimpfte die Wand und stolperte weiter.
Da tat sich vor ihm plötzlich ein schnurgerader, endlos scheinender Gang auf. Zu beiden Seiten flankierten ihn Büsten, die alle König Doron darstellten. Stieren Blicks blieb Rastafan vor einer stehen. »Da bist du ja …« Er hielt dem Marmorkopf die Kanne hin. »Hier, nimm auch einen Schluck. Ein feines Gesöff ist das.« Der Kopf rührte sich nicht. »Willst du nicht mir trinken? Bist wohl zu vornehm dazu?« Rastafan schüttete Wein in das marmorne Antlitz und wankte weiter an den starren Gesichtern vorbei, dabei genehmigte er sich immer wieder einen kleinen Schluck. Vor einem Bronzekopf blieb er stehen und grinste ihn an. »Da bist du ja schon wieder. Wieso redest du nicht mit mir, he?« Er packte ihn am Hals und schüttelte ihn. »Du glaubst wohl, ich sei besoffen? Weil ich dich doppelt und dreifach sehe? Aber so ein Tröpfchen wirft mich nicht um. Mich nicht!«
Von irgendwo her stahl sich eine Erinnerung in sein Hirn. »Ach ja, ich vergaß, dich anzubeten.« Er sank mit weichen Knien zu Boden, mit der Linken umklammerte er die Säule, mit der Rechten die Kanne. »Du Göttlicher sollst ewig leben. Eeeewig!« Sein Gebrüll hallte schaurig durch den langen Korridor. Die Wächter, die die Büsten bewachten, hatten längst das Weite gesucht. Rastafan zog sich mühsam an der Säule wieder hoch und sah sich irritiert um. Er hatte eilige Schritte gehört.
»Wieso starrt ihr mich alle an, verdammte Dorons!« Er versetzte einer Säule einen Fußtritt, und eine hölzerne, bemalte Büste stürzte von ihrem Sockel und rollte den Korridor entlang. Rastafan warf ihr die Kanne hinterher. »Da! Trink aus, Vater!«
Plötzlich packten ihn kräftige Arme von hinten, zwangen seine Hände auf den Rücken, und ein Knie drückte sich hart in sein Kreuz. Rastafan wurde vorwärts gestoßen. Wütend versuchte er, dem Griff zu entkommen, aber er war zu betrunken dazu, außerdem waren es zwei bullige Wächter, die ihn auf beiden Seiten festhielten.
»Lasst mich sofort los, ihr armseligen Missgeburten!«, brüllte Rastafan. »Ich bin der Prinz!« Doch niemand antwortete ihm. Nach etwa dreißig Schritten bugsierten sie ihn in eine Seitentür, die in einen gefliesten Raum mündete. Rastafan erhielt einen derben Stoß und stürzte aufklatschend in ein Bassin mit eiskaltem Wasser. Wie ein Delfin schoss er hoch, gurgelte, hustete und spuckte Wasser. Dann schüttelte er seine triefnassen Haare. Am Beckenrand gewahrte er die beiden stiernackigen Wächter, die ihm ungerührt zusahen, die Arme über den mächtigen Brustkästen verschränkt.
Rastafan starrte sie an, während er sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht strich. Der durchweichte Stoff klebte an seinem Körper, wickelte sich um seine Beine und hinderte ihn daran, mit einem kühnen Satz aus dem Becken zu springen. »Ihr wagt es …«, keuchte er, doch die beiden schenkten seinem Zorn keine Aufmerksamkeit.
»Euer Vater, König Doron, möchte Euch sprechen. Seid Ihr bereit dazu?«
»Bereit?«, fauchte Rastafan. »Sollte das hier vielleicht seine Einladung sein?« Sein Kopf war wieder halbwegs klar.
»So könnt Ihr es auffassen, Herr. Betrunkene dürfen nicht vor seinem Angesicht erscheinen.«
Wie von Zauberhand erschienen jetzt drei junge Mädchen und hielten demütig die Köpfe gesenkt. »Sie werden Euch kleiden und frisieren, damit Ihr angemessen vor Eurem Vater erscheinen könnt.«
Rastafan brummte und ahnte, dass er sich nicht gerade königlich benommen hatte. Vorsichtig den Saum bis zu den Knien raffend, stieg er aus dem Becken. »Gut, ich bin bereit. Aber schickt mir gütigst ein paar gefällige Burschen zur Bedienung. Oder hat sich meine Vorliebe noch nicht bis zu den hochgeborenen Ohren meines Vaters herumgesprochen?«
40
Doron empfing seinen Sohn in einem kleinen nüchternen Arbeitszimmer. Rastafan setzte sich unaufgefordert. Er hasste es, Dorons
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