Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
geben, die für solche Arbeiten zuständig waren, aber durch den herablassenden Tonfall hatte es geklungen, als erwarte der Aufseher es von ihm persönlich. Seine hochmütige Miene hatte ein Übriges dazu beigetragen, dass Borrak zum wiederholten Male die Galle überlief.
Niemand fürchtete ihn mehr, nicht einmal die Sklaven. Sie taten ihre Arbeit schon ihr Leben lang und wussten mit ungerechten Aufsehern umzugehen. Ein vergessener Riss hier, ein übersehener Schmutzfleck dort, und wer bekam die Schuld dafür? Natürlich konnte Borrak die Sklaven bestrafen, aber da er nie wusste, wer genau für einen Fehler verantwortlich war, hätte er alle bestrafen müssen. Sklaven jedoch, die ständig ungerecht behandelt wurden, arbeiteten nicht gut, was wiederum auf ihn zurückfiel. Es war schließlich sein Amt, gute Arbeit abzuliefern und nicht, Sklaven auszupeitschen, weil ihm danach war. Borrak hatte das sehr schnell begriffen.
Aber nicht nur die Demütigung nagte an ihm. In letzter Zeit hatte er Gaidaron schon mehrere Male kurz hintereinander im Palast gesehen. Er kam meistens in den späten Nachmittagsstunden und verließ ihn nach dem Dunkelwerden, zweimal sogar gegen Mitternacht. Natürlich war er ihm nachgeschlichen, doch weiter als bis zum Haupttor des Palastes konnte er ihm nicht folgen. Deshalb wusste er weder, was er hier wollte noch wen er besuchte, aber der Mondpriester war ihm entschieden zu dicht und zu häufig auf den Leib gerückt. Borrak kannte schließlich Gaidarons Absichten, und er hatte nicht vergessen, was Orchan gesagt hatte: ›Darf man einen Mitwisser am Leben lassen?‹ Auch wenn der Mordbefehl durch Jaryns Tod hinfällig geworden war, so hatte Gaidaron doch bestimmt nicht von seinem Plan abgelassen, denn Rastafan war noch am Leben. Und Borrak war sicher, dass Gaidarons Besuche mit diesem Plan etwas zu tun hatten.
Nachdem Rastafan ihn nicht zum Pfahl verurteilt hatte, glaubte er, vor ihm sicher zu sein. Grundlos, so glaubte Borrak, würde er ihm nicht mehr nachstellen. Gaidaron hingegen war gefährlich. Entweder ließ er ihn umbringen, oder er trat erneut an ihn heran. Diesmal mit dem Auftrag, Rastafan zu töten. Und das wollte Borrak auf keinen Fall tun, denn in seinem bauernschlauen Schädel wusste er genau, auf wessen Seite er sich jetzt zu schlagen hatte.
Von Unruhe getrieben, stapfte Borrak hinüber zum Waschhaus und fuhr die Sklavinnen an, eine neue Lieferung Schmutzwäsche sei eingetroffen und sie sollten sich darum kümmern, aber hurtig! Gelassen nickten sie und fuhren fort in ihrer Arbeit, denn sie hatten immer genug zu tun.
»Sagt auch den Näherinnen Bescheid. Es sind ein paar Festgewänder dabei, die besonderer Sorgfalt bedürfen. Ich sehe mir hernach jedes Stück an und wehe euch, wenn ich Pfusch entdecke.«
»Ja, Herr«, erwiderten sie gelangweilt. Sie wussten, Borrak hatte ohnehin keine Ahnung von guter Flickarbeit, und außerdem nicht die geringste Lust, sich jedes Kleidungsstück anzusehen.
Nachdem er den Befehl weitergegeben hatte, verließ er den Palast und machte sich auf den Weg zu Orchan, dem Kaufmann. Dieser mit allen Wassern gewaschene Hund konnte ihm vielleicht einen guten Rat geben.
Borrak hatte Glück, dass er den Kaufmann antraf, denn er war gerade von einer Reise zurückgekehrt. Orchan war Borraks Besuch so lieb wie eine Zecke am Hintern, aber er ließ sich nichts anmerken. Der Hauptmann sah blass und übernächtigt aus. Was raubt ihm wohl seinen Schlaf?, dachte Orchan. Hoffentlich will er mich nicht wieder für seine fragwürdigen Zwecke einspannen .
Liebenswürdig bat er ihn, näherzutreten und Platz zu nehmen. Borrak schien in dem bequemen Sessel zusammenzusinken, seine Stimme war gedämpft. »Ich danke dir, Orchan. Ach, ich bin ein geplagter Mann und du mein einziger Freund.«
Ich – dein Freund?, stutzte Orchan. Diese Anrede gefiel ihm gar nicht. »Aber Borrak, was ist denn geschehen? Kommt, trinkt einen Schluck Wein, das wird Euch beruhigen.«
Borrak leerte den Becher auf einen Zug, dann grunzte er und begann zu erzählen. Orchan erfuhr erst jetzt, dass Borrak kein Hauptmann mehr war. Aber er hielt sich bedeckt. Borrak war in Ungnade gefallen, aber er konnte ebenso schnell wieder aufsteigen. Orchan wollte es sich mit niemandem verderben. Nachdem Borrak umständlich seine Klagen los geworden war, fragte ihn Orchan teilnahmsvoll, was er denn für ihn tun könne.
»Du bist ein kluger Mann, Orchan. Ich benötige deinen Rat.« Er senkte seine Stimme. »Wir
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