Lacunars Fluch, Teil 1: Der Auftrag (German Edition)
verflucht sein, wenn er nicht wenigstens sein Vergnügen bekäme! Doch da trat Orchan ihm entgegen. »Lasst ihn in Ruhe. Er ist bereits genug gestraft. Wir bringen keine wehrlosen Unterhändler um.«
Er wunderte sich selbst über seinen Mut. Der war ihm offensichtlich zugewachsen, weil er die Änderung der Lage begrüßte. Kein Gold, keine Sklaven. Die Knaben konnten wieder nach Hause gehen.
Borrak gab Orchan einen derben Stoß vor die Brust, der den Kaufmann beinahe ins Wasser befördert hätte. »Halt’s Maul, Krämerseele. Das hier ist meine Angelegenheit.«
Orchan hatte sich gerade noch gefangen. »Aber ist es auch klug, was Ihr vorhabt? Bedenkt, was Ihr König Doron sagen müsst: ›Ich komme zwar ohne Gold zurück, aber dafür habe ich ihren Sklavenmeister umgebracht.‹ – Ich glaube nicht, dass dies Doron besänftigen wird.«
»Witzbold!«, schnaubte Borrak. »Das Gold ist so oder so futsch.«
»Vielleicht auch nicht.« Orchans Herz klopfte ihm bis zum Hals, aber nun war er einmal in Fahrt. »Die Sache ist nicht ganz verloren. Die Räuber könnten gefasst, das Gold gefunden werden. Oder König Nemarthos ist bereit, weiteres Gold zu zahlen. Schließlich ist der Überfall in seinem Land passiert, er ist uns etwas schuldig. Natürlich wären neue Verhandlungen nötig, aber wenn Ihr den Eunuchen tötet, wird es gar keine Gespräche geben und auch kein Gold.«
Borrak legte den Kopf schief. »Du bist ganz schön ausgefuchst, Krämerlein. Aber du hast recht. Doron wird mich für den Misserfolg verantwortlich machen, obwohl ich keinerlei Schuld daran trage. Da soll doch der Himmel zufrieren!« Er stampfte mit dem Fuß auf. »Diese Xaytaner, diese Schwächlinge, diese Würmer!«
»Der kleine Kaufmann hat recht«, säuselte es jetzt auch vom Erdboden her. »Ich bin sicher, dass die Schurken schnell gefasst und wir das Gold zurückerhalten werden. Zukünftigen Handelsbeziehungen wird dann nichts mehr im Weg stehen.«
Borrak gab ihm einen derben Tritt in die Seite. »Scher dich bloß weg von hier, aber kriechend, wenn ich bitten darf. Wir alle wollen gern dein schaukelndes Hinterteil betrachten, wenn du uns verlässt, und wehe, du richtest dich auf, bevor du dein Boot erreicht hast.«
Wie eine fette Raupe, aber behänder als man es ihm zugetraut hatte, kroch Thuaighan hastig hinweg, wühlte sich durch den Schlamm und zog sich mit letzter Kraft an der Bordwand hoch. Keiner seiner Sklaven rührte auch nur einen Finger für ihn. Das Gelächter Borraks hallte über den Fluss, als das Boot ablegte.
Orchan ging schweigend zurück und gab den Befehl, die Knaben loszubinden, die seit dem ersten Besuch des Eunuchen gefesselt in den Zelten lagen.
»Was soll das?«, fuhr Borrak ihn an, als er das Tun bemerkte. »Wer hat dich dazu ermächtigt?«
»Ich mich selbst. Was sollen wir denn noch mit ihnen anfangen? Sie können in ihre Dörfer zurück. Ist auch am besten so.«
»Du bist frech geworden auf dieser Reise, Orchan!«, zischte Borrak. »Du trägst dein stinkendes Händlernäschen zu hoch für meinen Geschmack. Die Bengel werden zu Fischfutter verarbeitet! Sollte ein neuer Handel zustande kommen, wirst du abermals Knaben im Lande zusammentreiben.«
Orchan wurde blass. »Warum wollt Ihr sie denn umbringen?«
Borrak versetzte ihm eine Kopfnuss. »Weil sie sonst überall herumerzählen werden, dass wir sie als Sklaven an Nemarthos verkaufen wollten, du Strohhirn. Das ist es aber, was Doron vermeiden wollte.«
Bei den drei Windhexen, Borrak hatte recht. Daran hatte Orchan nicht gedacht. »Ja, das war mir entfallen«, murmelte er, während er fieberhaft überlegte. »Aber doch nicht jetzt unter Zeugen?« Er wies auf die Hütten am Fluss.
Borrak warf einen schiefen Blick auf sie. »Natürlich nicht.« Er zögerte, weil er selbst überlegen musste. »Pass auf, wir nehmen sie ein Stück mit. Nicht weit von hier gibt es ein Waldstück, du erinnerst dich? Die Straße führt daran vorbei. Dort lassen wir sie laufen, treiben sie in den Wald und schlachten sie dort. Niemand wird etwas davon bemerken.«
»Ja«, sagte Orchan, weil er damit Zeit gewann. »Das ist eine gute Idee.«
22
Jaryn trat vor sein Zelt und reckte sich. Von seinen Hosen streifte er ein paar welke Gräser ab. Auf den Schaffellen schlief er überraschend gut und die Waldluft am Morgen machte ihn sofort wach. Wie ein Sonnenpriester sah er nicht mehr aus. Sein heiliger Zopf hatte sich vollends aufgelöst, und um das offene Haar hatte er ein Räubertuch
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