Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
besteigen. Dann muss Jaryn König werden.«
Anamarna nickte. »Wenn Rastafan zum Tode verurteilt wird, ist das richtig.« Er sah Jaryn an. »Wärst du dazu bereit?«
Jaryn zögerte mit der Antwort. Er war blass geworden. »Wenn er – tot wäre, dann gäbe es – nun, es gäbe eine Menge Schwierigkeiten, nicht wahr?«
»Einen riesigen Haufen«, schmunzelte Anamarna. »So ist es. Gaidaron würde mit Schaum vor dem Mund herumlaufen und die Marganer alle Priester des Betrugs bezichtigen, wenn wir Jaryn wieder aus dem Hut zauberten. Aber ich halte Rastafan für unschuldig. Nicht seiner reinen Seele wegen. Er ist einfach nicht der Mann für Intrigen. Er ist ein Draufgänger, und wenn er Doron hätte töten wollen, dann hätte er ihn gefordert. Das war ihm natürlich verwehrt, also hätte er sich gefügt.«
Caelian bemerkte, dass die Farbe in Jaryns Gesicht zurückkehrte, und lächelte in sich hinein.
»Ich werde mich gleich morgen früh auf den Weg machen«, fuhr Anamarna fort. »Aven begleitet mich. Das bedeutet, dass ihr auch aufbrechen müsst.«
»Ohne einen einzigen Hinweis?«, versuchte Jaryn Anamarna doch noch zu bewegen.
»Ich habe vorgeschlagen, nach Achlad zu gehen«, sagte Caelian, »aber Jaryn will nicht.«
»Zu deinem finsteren Vater? Du weißt, er mag keine Männer, die …« Er verstummte.
»Nein, zu Lacunar dürft ihr nicht gehen«, sagte Anamarna. »Durch ihn würde es sofort Rastafan erfahren. Haltet euch, solange es geht, bedeckt.«
»Achlad ist groß«, meinte Caelian sinnend. »Wir müssen nicht zu meinem Vater gehen.«
»Groß und nichts als Wüste«, brummte Jaryn.
»Aber nein! Dort gibt es wunderschöne Oasen. Wo es Wasser gibt, blüht die Wüste. Wir kaufen uns eine Hütte und leben von den Früchten, die dort wachsen.«
»Und sterben an Langeweile.«
»Hm, wir können auch nach Faemaran gehen. Dort kennt uns niemand, und mein Vater meidet die Stadt ohnehin. Die Menschen dort sind ihm zu eigenwillig und zu stolz, sie gehorchen nicht so gern, verstehst du?«
Jaryn nickte. »Wem erzählst du das? Ich komme aus Margan.«
Caelian grinste. »Natürlich ist unsere Hauptstadt nicht so groß und auch nicht so prächtig, aber verboten ist sie für niemanden. Dort gibt es sogar einen Tempel, in dem Zarad verehrt wird. Das Volk kennt ihn als Gott der Heilkunst.«
»Und der Küchengerüche«, spottete Aven.
Caelian drohte ihm scherzhaft und schaute in den Himmel. Inzwischen war es dunkel geworden, und er war übersät von Sternen. »Die weiße Wüste«, sagte er. »Sie soll nicht immer da gewesen sein. Ich erinnere mich da an ein Lied aus meiner Kindheit. Mein Großvater hat es mir oft vorgesungen.« Er begann, leise eine Melodie zu summen.
»Singe es uns doch bitte vor, Caelian«, bat Anamarna. »Wir wollen es alle gern hören.«
»Ach nein«, wehrte dieser verschämt ab. »Meine Stimme würde sogar die Fledermäuse verscheuchen.«
»Die vielleicht«, grinste Aven, »aber uns nicht. Wir sind hartgesotten.«
»Du bist ein richtig freches Bürschchen«, lachte Caelian. »Anamarna, Ihr habt dem Bengel zu viel durchgehen lassen.«
»Wohl wahr«, seufzte dieser. »Aber lenke nicht ab. Singe!«
»Ja bitte«, sagte Jaryn. »Ich habe dich noch nie singen hören.«
»Ich dich auch nicht. Aber bitte, ich habe euch gewarnt.«
Caelian räusperte sich ein paar Mal. Es ist die Legende von Zarador. Dann begann er mit einer Stimme zu singen, die so klar war wie das Wasser der Kurdurquelle und so schwermütig wie die weiße Wüste Achlads:
Übers Gebirge ging ich, durchwanderte Schluchten,
habe Wälder durchstreift und Ödland durchquert.
Wo finde ich Zarador,
die Stadt mit den mächtigen Mauern,
gewaltigen Türmen und Zinnen?
Den Adler frage, den alles Sehenden.
Ich flog über Gebirge, Wälder und Wüsten,
doch nirgends erblickte ich Zarador.
Wo finde ich Zarador,
die Stadt mit den mächtigen Mauern,
gewaltigen Türmen und Zinnen?
Den Wind frage, den niemals Ruhenden.
Ich jagte die Wolken über Berge und Meere,
fuhr heulend durch Schluchten und Wälder.
Doch nirgendwo traf ich auf Zarador.
Wo finde ich Zarador,
die Stadt mit den mächtigen Mauern,
gewaltigen Türmen und Zinnen?
Den weißen Sand frage, den Grenzenlosen.
Vor vielen Jahren begrub ich die Stadt,
doch vergaß ich der Stätte.
Frage den arglosen Wanderer.
Geht er vorüber, dann hört er die Stimmen
und schaudernd flieht er den Ort.
Vielleicht gehst du einst desselbigen Weges.
Und hörst du das Heulen und Klagen,
das Wispern und
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