Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
von ihren Tieren abstiegen, ergriff er gleich ihre Zügel. Ihm lag so vieles auf der Zunge, aber seine Erziehung verbot es ihm, die beiden mit Fragen zu bestürmen. »Ich führe die Tiere auf die Wiese unten am Bach«, plapperte er, um seine Verlegenheit zu überspielen. »Der Meister freut sich schon auf euch.«
Beim Absteigen war Jaryn ein wenig gestrauchelt. Aven bemerkte, wie Caelian ihm einen besorgten Blick zuwarf, aber ihn nicht stützte. Jaryn hatte sich auch sofort wieder gefangen. »Möchtet Ihr gleich etwas ruhen, Prinz Jaryn?«, fragte Aven aufmerksam. »Dann richte ich das Lager.«
Jaryn winkte ab. »Eine kleine Schwäche, nichts weiter. Ich bin das Reiten nicht gewohnt. Nein, jetzt wollen wir zuerst Anamarna begrüßen. Und nenne mich nicht ›Prinz‹, Aven. Das bin ich nicht mehr.«
»Oh, tut mir leid.«
Caelian knuffte ihn liebevoll in die Seite. »Das muss dir nicht leidtun.«
Aven verschwand schnell mit den Tieren, und die beiden Männer kamen zu Anamarna an den Tisch. Dieser hatte das Buch zur Seite gelegt, und in seinem greisen Antlitz bildete sich ein Netz aus hundert Lachfalten. »Setz dich, Jaryn. Meine alten Augen freuen sich über deinen Anblick. Und auch du, Caelian, sei willkommen. Danke, dass du ihm so ein treuer Begleiter und Freund bist.«
Sie setzten sich zu ihm, und sie tranken mit Anamarna das Wasser aus der Kurdurquelle, das ewige Jugend schenkte. »Ja, ja, die Legende ist wahr«, lächelte er, als er sah, wie Caelian ehrfürchtig daran nippte. »Man bleibt jung im Herzen. Wer allerdings etwas anderes glaubt, wird enttäuscht sein.«
Dann legte er seine Hand auf Jaryns Arm. »Du hast es überstanden. Und du hast den Weg zu mir gefunden. Wie damals.«
»Das scheint Ewigkeiten her zu sein«, erwiderte Jaryn und sah sich um. »Seinerzeit erschien mir Eure Hütte so armselig. Wie blind bin ich gewesen. Schöner als hier kann es nirgendwo sein.«
»Ja, ja«, nickte Anamarna. »Ich habe mir ein schönes Fleckchen Erde ausgesucht. Manche halten mich für weise, dabei war ich nur schlauer als andere.« Er grinste in sich hinein. Jedes Wort, jeder Blick und jede Geste drückte seine stille Freude darüber aus, dass sie, was Jaryn betraf, dem Tod ein Schnippchen geschlagen hatten.
Als Aven wiederkam und sich zu ihnen setzte, wurden endlich seine Fragen beantwortet. Er war tief beeindruckt von Suthrannas ärztlicher Kunst. Heimlich fiel ihm ein Stein vom Herzen, dass es sich nicht um Zauberei gehandelt hatte, denn sein Meister leugnete diese.
Später bereitete Aven das Essen zu, und Caelian hatte sich angeboten, ihm dabei zu helfen. Anamarna zwinkerte ihm zu. »Endlich werden wir einmal gut speisen.«
»Ha!«, rief Aven, warf seinen Kopf in den Nacken und verließ steifbeinig seinen Meister. Anamarna und Jaryn waren allein.
»Habt ihr euch schon überlegt, wie es weitergehen soll?«, fragte Anamarna.
»Die Welt steht uns offen, nicht wahr?«
»In gewisser Weise ja. Aber das heißt auch, dass ihr euch im Dschungel der Möglichkeiten noch nicht entschieden habt.«
»Das stimmt. Wir hofften, dass Ihr uns einen Rat geben könnt.«
»Ich kann euch Obdach geben. Dazu Zeit, um auszuruhen, Gelegenheit zum Nachdenken. Aber den Weg in ein neues Leben musst du selbst finden, Jaryn. Tapferkeit, Zuversicht und Caelians Freundschaft werden dir dabei helfen. Ihr seid nicht allein. Ich nehme doch an, Suthranna hat euch mit den nötigen Mitteln versehen?«
»Ja, die ersten Wochen werden wir uns keine Sorgen machen müssen. Aber Jawendor müssen wir wohl verlassen?«
»Ja, das müsst ihr. Doch nichts ist beständig, es kommen auch andere Zeiten.«
»Das sagt sich so leicht.«
»Nein, ich bin dessen gewiss. Hast du vergessen, dass dir bestimmt ist, eine Prophezeiung wahr werden zu lassen?«
»Oh Anamarna! Ich möchte zu gar nichts mehr bestimmt sein. Ich bin es so leid, davon zu hören. Ich will diese Lasten nicht mehr tragen.«
»Lasten? Ja, es sind häufig Lasten, die uns aufgebürdet werden. Doch was sind Lasten anderes, als Verantwortung zu übernehmen? Willst du das nicht mehr?«
Jaryn blickte finster. »Nicht für Jawendor. Es mag unter Ra… unter diesem neuen Prinzen ohne mich glücklich werden. Ich habe meinen Preis bezahlt.«
»Niemand verlangt von dir neue Opfer, Jaryn. Du sollst dir nur bewusst sein, dass jeder Weg, den du von nun an gehen wirst, dich ein Stück weit deiner Bestimmung entgegenführt. Ich gebe zu, wir hatten alle Hoffnung aufgegeben. Ich auch. Doch wir haben
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