Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
Geschäfte geht.«
»Aber ohne einen konkreten Verdacht habe ich dazu keine Befugnis.«
»Warte noch bis zum Mittag. Wenn wir dann von Rastafan nichts gehört haben, gehe zum Oberpriester Suthranna, er wird dir helfen.«
Tasman versprach abzuwarten, und Saric machte sich auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz. Auf ihm lastete die Gewissheit besonders schwer. Er war ganz sicher, dass Jaryn nicht der Verfasser dieser Zeilen gewesen war. Es musste sich daher mit Sicherheit um eine Falle gehandelt haben. Er fragte sich nur, was der Verfasser für Absichten hegte. Wenn Gaidaron dahintersteckte, fürchtete er das Schlimmste, denn dieser, so hatte das Gerichtsverfahren damals ergeben, hatte schon Jaryn umbringen wollen. Für seine Ziele ging er über Leichen, selbst über die von Prinzen und Königen.
Als er das Arbeitszimmer Rastafans betrat, wäre ihm beinahe seine Arbeitsmappe aus den Händen gefallen, denn er fand diesen am Schreibtisch sitzen und ihn erstaunt mustern. »Du, Saric? So früh?«
Saric, sonst durchaus wortgewandt, blieb die Antwort im Halse stecken.
Rastafan winkte ihn heran. »Was hast du? Komm, es gibt eine Menge Arbeit.«
»Aber Herr!«, stotterte Saric. »Man sucht Euch in ganz Margan, Euer Freund Tasman ist in großer Sorge, er will das Heer ausschwärmen lassen, und Ihr sitzt hier?«
Rastafan furchte die Stirn. »Tasman? Weshalb? Woher wusste er denn, dass ich eine Nacht ausgeblieben bin?«
Saric stieg vor Verlegenheit das Blut zu Kopf. »Das muss sich herumgesprochen haben.«
Rastafan ordnete ein paar Pergamente, aber er war offensichtlich nicht bei der Sache. »So? Ich glaube, ich kenne das Vögelchen, das es ihm zugezwitschert hat. Nun, dann veranlasse, dass alle übereilten Aktionen abgeblasen werden. Der König sitzt gesund und munter an seinem Schreibtisch und ist, wie du siehst, keinem menschenfressenden Ungeheuer zum Opfer gefallen.«
Saric riss sich zusammen und presste die Mappe an seine Brust. »Ja Herr. Aber wie seid ihr unbemerkt hergekommen? Niemand im Palast hat Euch gesehen.«
»Ich bin über einen Seiteneingang gekommen, der selten benutzt wird, schon gar nicht vom König selbst. Das ist manchmal ganz nützlich. So entging ich auch den Türstehern.«
Saric schwieg. Es kam ihm nicht zu, Rastafan zu fragen, weshalb er es für nötig gehalten hatte, sich zurückzuschleichen. Er war erleichtert, dass ihm nichts passiert war. Natürlich war er neugierig, wen Rastafan getroffen und was er erlebt hatte, aber das würde sein Geheimnis bleiben. Hatte er wirklich Jaryn getroffen? Das hätte Saric sehr gern gewusst.
»Wen haben wir heute bei der Audienz zu erwarten?«
»Ich habe eine Liste angefertigt«, erwiderte Saric eilfertig. »Unter den Besuchern ist auch Jagorn, der zukünftige Statthalter Caschus.«
»Noch ist er es nicht. Zeig her.« Rastafan ließ sich die Liste geben. Flüchtig überflog er die Namen. »Ich finde hier nur Bewohner aus Margan, lauter angesehene Leute. Gibt es denn gar keine einfachen Menschen, die ihre Beschwerden oder Bitten vortragen wollen?«
»Herr, das war noch nie üblich, denn wie sollten sie die Bittschrift an Euch weiterleiten? Sie dürfen Margan nicht betreten. Und täten sie es, so würde niemand im Palast Euch mit ihren Wünschen behelligen.«
Rastafan nickte grimmig. »Gut, dass du mich daran erinnerst, Saric. Wir alle leben in einer verbotenen Stadt. Das muss sich ändern. Ich werde zu diesem Zweck mit einigen Leuten reden müssen, vor allem mit den Priestern, denke ich. Außerdem werden wir einen Erlass verfassen, der für alle Palastangehörigen und Beamten gilt. Darin muss stehen, dass mir ausnahmslos jedes Gesuch vorgelegt werden muss. Die Entscheidung, ob ich denjenigen empfange oder gar sein Gesuch bewillige, wird dann bei mir liegen, aber nicht bei den Höflingen. Du kannst gleich damit anfangen und einen Entwurf anfertigen.«
Tasman, der in seinem Unterstand nervös hin und her lief und seine Untergebenen anschrie, erreichte die Nachricht, dass der König wohlbehalten im Palast weile, noch rechtzeitig. Er war kurz davor gewesen, sich diesen Gaidaron vorzuknöpfen, was sicher zu Misshelligkeiten geführt hätte. Als er hörte, dass überhaupt nichts passiert war, kippte seine Erleichterung in Ärger um. Wozu hatte er sich eine Nacht um die Ohren geschlagen? Am liebsten hätte er sich auch seinen Freund vorgenommen, doch der war jetzt König, und so ungezwungen wie früher konnte er nicht mehr mit ihm reden. Dann fiel ihm ein, dass
Weitere Kostenlose Bücher