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Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)

Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)

Titel: Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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verlangte.
    Seit jenem Tag hatte Tiyamanai viel nachgedacht. Die Aussagen des Fremden hatten ihn sehr verunsichert. Obwohl selbst ein Gezeichneter, schien er mit seinem Los durchaus zufrieden zu sein. Die Buße war nur ein Streich seines Freundes gewesen, der ein heiliger Mondpriester war und selbst zu den Verworfenen gehören sollte. Ein übles Gebräu aus Unzucht und Schamlosigkeit. Und dennoch – konnten so selige Wonneschauer etwas Schändliches sein? Freilich, der unbekümmerte Fremde würde niemals in den grünen Gärten des Morphor …
    Ein Mitbruder, der leise eingetreten war, schreckte ihn auf aus seinen Gedanken. »Für dich ist Besuch gekommen. Er sagt …« Der Bruder zögerte, weil ihm die Botschaft, die er vorzubringen hatte, ungeheuerlich vorkam. »Er sagt, er habe den Auftrag, dich zum König zu begleiten.«
    Tiyamanai schrak zusammen. »Mich? Einen Zylonen? Zum König? Das muss ein Irrtum sein.«
    »Nein.« Der Bote war unbemerkt näher getreten. Er war gut gekleidet und hielt sich in angemessener Entfernung. »Bist du Tiyamanai, der Hüter des Tempels?« Seine Miene war leicht angewidert, was Tiyamanai nicht berührte, weil er glaubte, Missachtung zu verdienen. Er erhob sich und sank auf die Knie, das verdreckte Gesicht in den Händen verborgen. »Der bin ich«, murmelte er.
    »Ich bin Nahape. Du kommst mit mir. Ich soll dich zum König bringen. Aber vorher musst du dich waschen und reinliche Kleider anlegen.«
    Tiyamanai zitterte. Jetzt kamen die Strafen für seine Nachlässigkeit. Morphor bediente sich dazu des Königs. Was würde ihn erwarten? Der Pfahl oder der Käfig oder noch Schlimmeres? Oh ja, er war bereit, alles zu ertragen, denn umso schneller würde er die grünen Gärten erblicken, und je grausamer sein Tod, desto näher würde er Morphor sein in alle Ewigkeit. Aber er war auch nur ein Mensch und fürchtete die Schmerzen.
    »Bitte geduldet Euch einen Augenblick«, flüsterte er.
    »Ich warte draußen«, erwiderte Nahape brüsk und entfernte sich.
    Wenig später vermochte er den Zylonen kaum wiederzuerkennen. Aber er ließ sich nichts anmerken. »Folge mir, aber bleibe stets drei Schritte hinter mir.«
    »Ja Herr.«
    »Und senke das Haupt, damit dich niemand anschauen muss.«
    »Ja Herr. Das ist uns ohnehin auferlegt.«
    Niemand beachtete die beiden. Tiyamanai sah aus wie ein gewöhnlicher Bürger. Wegen seiner ärmlichen Kleidung mochten ihn die Leute für einen niederen Diener halten. Den Königsplatz mit den beiden großen Tempeln und den Palasthügel hatte er bei seinen Streifzügen schon gesehen, doch niemals war ihm gestattet worden, die breite Treppe zu dem Portal mit den Säulen hinaufzusteigen. Seine Knie zitterten, aber unter gesenkten Lidern sah er sich neugierig um. So lebten jene, die bereits auf Erden in Morphors Gnade standen. Würde auch ihm so eine Zukunft beschert sein, nachdem er alle Martern durchlitten hatte? Würden sie ausreichen, seine große Schuld zu tilgen?
    Sie liefen durch unzählige Gänge, sodass Tiyamanai ganz schwindlig wurde. Hier würde er allein nie wieder herausfinden, aber das war vielleicht gar nicht nötig, weil er für den tiefsten, dunkelsten Kerker vorgesehen war, wo man ihn in Ketten verhungern und den Ratten überlassen würde. Der Weg führte vorbei an prächtigen Türen, die mit Schnitzereien oder goldenen Rahmen verziert waren. Vor manchen standen stolze Wächter mit grimmigen Mienen und aufgerichteten Lanzen. Der Boden war so glatt gefliest, dass Tiyamanai fürchtete, auf ihm auszugleiten, zumal sein Begleiter ein schnelles Tempo vorlegte. Sein Herz klopfte, als müsse es ihm aus dem Hals springen. Gleich würde er vor dem König stehen. Ein König kam gleich nach den Göttern. Würde sein flammender Blick ihn zu Boden schmettern? Nein, bestimmt musste er flach vor ihm im Staube liegen, denn das erhabene Antlitz durfte er erst in Morphors Reich schauen, wenn die Buße vorüber war, die er Leben nannte.
    Nahape hatte sich nicht einmal nach ihm umgesehen. Jetzt blieb er vor einer Tür stehen und wechselte ein paar Worte mit den Türwächtern. Diese traten zur Seite, öffneten die Tür und riefen: »Der Zylone Tiyamanai ist eingetroffen.«
    Nahape nickte ihm zu. »Geh hinein!«
    Tiyamanai wankte durch die offene Tür, als warte dahinter ein gefräßiges Ungeheuer auf ihn. Mit einem dumpfen Laut schloss sie sich hinter ihm. Er blieb verwirrt stehen, in seinem Kopf drehte sich alles, Einzelheiten vermochte er nicht zu erkennen, nur ein

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