Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
aber wenn du den herberen vorziehst …?«
»Ich habe noch nie in meinem Leben Wein getrunken«, murmelte Tiyamanai, während er glückselig eine Feige zerkaute.
»Was für ein Sklavenleben! Weshalb verehrt ihr einen Gott wie Morphor, der so viel Verzicht von euch fordert?«
»Weil wir für unsere Verfehlungen büßen müssen.«
»Du meinst, weil ihr Männer begehrt?«
Tiyamanai nickte.
»Aber das ist nichts Schlimmes. Ich tue es, meine Freunde tun es, viele tun es. Es macht Spaß und tut keinem weh – nun, meistens jedenfalls.«
»Ja, es macht Spaß«, wisperte Tiyamanai, »und das ist das Frevelhafte. Ihr seid von edler Geburt, Euch ist alles erlaubt, denn Ihr steht an der Seite der Götter, Ihr lebt bereits wie ein Gott, Ihr befehlt wie ein Gott. Wer könnte Euch strafen?«
Rastafan räusperte sich. »Sind alle Zylonen deshalb verflucht? Ich meine, haben alle in eurer Gemeinschaft die gleiche Veranlagung?«
»Ja.«
»Erzähle mir mehr darüber. Wie entstand euer Glaube an Morphor? Weshalb lebt ihr in den Höhlen von Dimashk? Und weshalb werdet ihr nicht weniger, obwohl ihr euch wohl kaum vermehren könnt?«
Tiyamanai war dankbar für diese Fragen, denn er konnte sie beantworten, und das lenkte ihn von seiner Befangenheit ab. »Ich kann Euch nur das berichten, was die Überlieferungen sagen. Morphor existiert von Ewigkeit zu Ewigkeit, denn zu allen Zeiten wurden derart verfluchte Männer geboren. Es heißt, sie müssen für ein Ereignis büßen, das in uralten Zeiten stattgefunden und den gesamten Himmel beleidigt hat. Wenn nun so ein Junge geboren wird und seine Neigung wird offenbar, dann muss er das Dorf mit sechzehn Jahren verlassen. Tut er es nicht, wird er fortgejagt. Die Dimashkhöhlen in Nemmarjor waren von jeher unser einziger Zufluchtsort. Wer also heimatlos geworden ist, der geht dorthin, denn er hat keinen anderen Platz in dieser Welt.«
»Warum Nemmarjor?«
»Dort steht der Morphortempel.«
»Aber wer hat ihn gebaut?«
»Ich weiß es nicht. Aber es heißt, wenn er zerfällt, wird er wieder und wieder aufgebaut, denn sonst hätten die Zylonen keine Heimat mehr und wären alle verloren.«
»Und wenn ich ihn abreißen lasse und euch verbiete, diesem Glauben weiterhin anzuhängen?«
»Bitte tut das nicht. Dann müssen wir alle sterben und werden nie in Morphors Reich aufgenommen.«
»Also gut, ich werde geduldig mit euch sein, aber nicht für immer. Und nun zu der Sache, weshalb ich dich kommen ließ. Du weißt, dass mein Freund mir diesen etwas ausgefallenen Streich gespielt hat. Ich habe ihm verziehen, natürlich. Zwischen uns geht es häufig rau zu, und ich habe ihm auch schon einiges heimgezahlt. Wir lachen darüber, verstehst du?«
»Ja Herr.«
»Diesmal ist er ein bisschen zu weit gegangen. Nicht, dass ich das Übermaß an Zuwendung nicht ertragen hätte, aber es waren Zylonen, und ich wusste damals nichts über euch.«
Tiyamanai nickte stumm.
»Es ist eine Sache, die nur mich und meinen Freund etwas angeht. Ich möchte einfach nicht, dass sich das in Margan herumspricht: der König im Morphortempel und das in eindeutiger Stellung. Das würden viele zum Anlass nehmen, über mich zu spotten, woraufhin ich diese Personen festnehmen und pfählen lassen müsste. Dazu sollte es nicht kommen, was meinst du, Tiyamanai?«
»Ich – ich weiß nicht, was Ihr meint, Herr.«
»Ganz einfach. Die Sache in eurem Tempel hat niemals stattgefunden. Das werdet ihr beschwören, falls euch jemand fragt oder Gerüchte auftauchen.«
»Herr, es ist nicht nötig, mir das zu sagen. Nichts, was im Morphortempel geschieht, darf jemals nach außen dringen.«
»Gewiss. Aber auch, wenn mein Freund, der Mondpriester, Gerüchte streuen sollte, so werdet ihr alles leugnen.«
»Bei Morphor! Wie sollen wir leugnen, was doch niemals geschehen ist?«
»Ich sehe, wir verstehen uns. Ich will hoffen, dass ich mich auf eure Verschwiegenheit verlassen kann. Und nun …« Rastafan nahm einen Becher zur Hand. »Nun wollen wir auf Morphor trinken und darauf, dass er nur ein Dunstgebilde ist, das eure Gehirne vernebelt hat.«
Was für ein gottloser Trinkspruch! Tiyamanai kam sich vor wie zwischen zwei Mühlsteinen. Aber was sollte er tun? Er musste gehorchen. Der Wein war köstlich. Er konnte den Becher nicht absetzen, bevor er leer war. Welch ein Genuss! Er hörte den König leise lachen. »Aber Tiyamanai, du hast einen Zug am Leib, der einen Berglöwen neidisch machen kann. Ich fürchte nur, wenn du das Zeug
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