Lacunars Fluch, Teil 4: Rastafans Buße (German Edition)
Thorgan.«
Dieser holte gemächlich seinen Dolch hervor und ritzte ein paar Zeichen in den Stein, auf dem er gesessen hatte. »Ich markiere den Stein, denn die Spitze kann das nächste Mal wieder verschwunden sein.«
»Eine kluge Idee.« Radomas schwang sich auf sein Pferd. Auf seinem Gesicht breitete sich ein zuversichtliches Lächeln aus.
17
Seit Gaidarons Erpressung hatte Rastafan nichts mehr von ihm gehört. Er vermutete, dass er inzwischen seinen Willen bekommen hatte und Oberpriester im Mondtempel war. Doch was dort geschah, blieb innerhalb von dessen Wänden und wurde nicht unnötig verbreitet. Auch Suthranna war wohl inzwischen sicher an der Kurdurquelle angekommen. Rastafan sah die beiden Männer im Geiste vor der Hütte sitzen, das gesunde Quellwasser schlürfen und tiefgründige Gespräche über die Rätsel der Welt führen.
Ihm selbst ließen seine Pflichten wenig Zeit zum Grübeln, und das empfand er als wohltuend. Einiges, was er auf den Weg gebracht hatte, trug langsam Früchte. Nachforschungen in Caschu hatten ergeben, dass die Bewohner mit ihrem neuen Statthalter sehr zufrieden waren und Rastafans Namen priesen. Er nahm sich vor, nun auch in den anderen Provinzen nach dem Rechten zu sehen. Gern nahm er dazu Orchans Dienste in Anspruch. Darüber hinaus hatte er ihm aufgetragen, den Erlös aus dem Verkauf der Doronbüsten für Härtefälle zu benutzen, damit den Menschen schneller geholfen werden konnte.
Die Pfähle und Hungerkäfige waren von den Zinnen Margans verschwunden. Es hatte nicht an Stimmen gefehlt, die Margan daraufhin das Versinken in Zügellosigkeit und Anarchie prophezeiten, doch ihre Befürchtungen hatten sich als lauer Wind entpuppt. Denn Rastafans Eiserne Garde war nach wie vor nicht zimperlich und ging unnachsichtig gegen Störer der Ordnung vor. Allerdings erhielten die Angeklagten ein ordentliches Gerichtsverfahren und wurden zu Geldstrafen oder zu Kerkerhaft verurteilt. Die Todesstrafe hatte Rastafan nicht abgeschafft, aber sie war seit seiner Thronbesteigung nicht mehr verhängt worden. Natürlich wartete das Land noch immer auf Gerechtigkeit. In den Provinzen herrschten noch die alten Herren mit bestechlichen Richtern, die ihren Titel nicht verdienten. Rastafan wusste, dass hier noch viel Arbeit vor ihm lag.
Auch das noch unvollständige Gesetzeswerk Jaryns machte mit Sarics tatkräftiger Hilfe Fortschritte. Leider konnte Rastafan ihm nicht die nötige Zeit widmen. Bei den Audienzen, die er gab, herrschte stets ein großer Andrang, denn es hatte sich herumgesprochen, dass der König für alle ein Ohr hatte. Anschließend waren dann wieder unzählige Bitten oder Beschwerden zu überprüfen.
Er hatte inzwischen einen Stab von Mitarbeitern um sich versammelt, die fleißig und tüchtig waren, jedoch immer wieder einen Rippenstoß benötigten, weil sie noch den alten Gewohnheiten anhingen. Ja, dachte Rastafan. Einen Mann wie Gaidaron könnte ich schon gebrauchen, aber wer lässt den Bären den Honigtopf bewachen?
Nach getaner Arbeit legte sich Rastafan gern mit Ganidis zu Bett. Der hübsche Junge war unkompliziert und verschaffte ihm jene Erleichterung, die ein Mann nach hartem Tagwerk benötigte. Aber weder war er zu tiefen Gedanken noch zu guten Gesprächen fähig. Er nahm inzwischen bei Tasman Fechtunterricht und schwärmte von künftigen Heldentaten. Er war eben noch ein halbes Kind.
Verständlich, dass er in Rastafan auch keine überbordenden Leidenschaften auslöste. Wo waren die Männer, mit denen er diese erlebt hatte? Jaryn und Caelian hielten sich wahrscheinlich in Achlad auf, und die Zylonen – Rastafan widmete ihnen stets ein heimliches Schmunzeln, wenn er an den Morphortempel dachte. Die Sache war boshaft von Gaidaron ausgeheckt worden, aber je mehr Zeit verging, desto reizvoller erschien Rastafan die Sache rückblickend. Vielleicht, so überlegte er, sollte er das Ereignis wiederholen. Natürlich nicht mit Tuch und Knebel und auch nicht im Morphortempel mit den Zylonen. Aber in Narmora gäbe es sicher eine Möglichkeit, sich unerkannt sieben, acht Burschen zu kaufen, die bei ihm Schlange standen. Andererseits durfte er sich nicht schon wieder Ferien leisten, so wie damals an der Kurdurquelle.
Da empfand er es sogar als willkommene Abwechslung, als Gaidaron eines Tages bei ihm erschien. Obwohl er sich bemühte, kühl und sachlich aufzutreten, wie es sein hohes Amt von ihm verlangte, gelang es ihm nicht, das Siegerlächeln zu unterdrücken, das wie eingekerbt
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