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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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aber sind mächtig, und Fleck ist
    Fleck, und Schuld ist Schuld.«
    Sie schwieg einen Augenblick und bog sich rechts
    nach dem Kamin hin, um ein paar Kohlenstückchen
    in die jetzt hellbrennende Flamme zu werfen. Aber
    plötzlich, als ob ihr ein ganz neuer Gedanke gekom-
    men, sagte sie mit der ganzen Lebhaftigkeit ihres
    früheren Wesens: »Ach, Ezel, ich spreche von Schuld und wieder Schuld, und es muß beinah klingen, als
    sehnt' ich mich danach, eine büßende Magdalena zu
    sein. Ich schäme mich ordentlich der großen Worte.

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    Aber freilich, es gibt keine Lebenslagen, in denen
    man aus der Selbsttäuschung und dem Komödien-
    spiele herauskäme. Wie steht es denn eigentlich? Ich will fort, nicht aus Schuld, sondern aus Stolz, und will fort, um mich vor mir selber wieder herzustellen.
    Ich kann das kleine Gefühl nicht länger ertragen, das an aller Lüge haftet; ich will wieder klare Verhältnisse sehen und will wieder die Augen aufschlagen kön-
    nen. Und das kann ich nur, wenn ich gehe, wenn ich
    mich von dir trenne und mich offen und vor aller
    Welt zu meinem Tun bekenne. Das wird ein groß'
    Gerede geben, und die Tugendhaften und Selbstge-
    rechten werden es mir nicht verzeihn. Aber die Welt besteht nicht aus lauter Tugendhaften und Selbstge-rechten, sie besteht auch aus Menschen, die Mensch-
    liches menschlich ansehen. Und auf die hoff' ich, die brauch' ich. Und vor allem brauch' ich mich selbst.
    Ich will wieder in Frieden mit mir selber leben, und wenn nicht in Frieden, so doch wenigstens ohne
    Zwiespalt und zweierlei Gesicht.«
    Es schien, daß van der Straaten antworten wollte,
    aber sie litt es nicht und sagte: »Sage nicht nein. Es ist so und nicht anders. Ich will den Kopf wieder
    hochhalten und mich wieder fühlen lernen. Alles ist eitel Selbstgerechtigkeit. Und ich weiß auch, es wäre besser und selbstsuchtsloser, ich bezwänge mich und bliebe, freilich immer vorausgesetzt, ich könnte mit einer Einkehr bei mir selbst beginnen. Mit Einkehr
    und mit Reue. Aber das kann ich nicht. Ich habe nur ein ganz äußerliches Schuldbewußtsein, und wo mein
    Kopf sich unterwirft, da protestiert mein Herz. Ich nenn' es selber ein störrisches Herz, und ich versu-146
    che keine Rechtfertigung. Aber es wird nicht anders durch mein Schelten und Schmähen. Und sieh, so
    hilft mir denn eines nur und reißt mich eines nur aus mir heraus: ein ganz neues Leben und in ihm das , was das erste vermissen ließ: Treue. Laß mich gehen. Ich will nichts beschönigen, aber das laß mich sagen: es trifft sich gut, daß das Gesetz, das uns
    scheidet, und mein eignes selbstisches Verlangen
    zusammenfallen.«
    Er hatte sich erhoben, um ihre Hand zu nehmen, und
    sie ließ es geschehen. Als er sich aber niederbeugen und ihr die Stirn küssen wollte, wehrte sie's und
    schüttelte den Kopf. »Nein, Ezel, nicht so. Nichts
    mehr zwischen uns, was stört und verwirrt und quält und ängstigt und immer nur erschweren und nichts
    mehr ändern kann... Ich werd' erwartet. Und ich will mein neues Leben nicht mit einer Unpünktlichkeit
    beginnen. Unpünktlich sein ist unordentlich sein. Und davor hab' ich mich zu hüten. Es soll Ordnung in
    mein Leben kommen, Ordnung und Einheit. Und nun
    leb wohl und vergiß.«
    Er hatte sie gewähren lassen, und sie nahm die klei-ne Reisetasche, die neben ihr stand, und ging. Als
    sie bis an die Tapetentür gekommen war, die zu der
    Kinderschlafstube führte, blieb sie stehen und sah
    sich noch einmal um. Er nahm es als ein gutes Zei-
    chen und sagte: »Du willst die Kinder sehen!«
    Es war das Wort, das sie gefürchtet hatte, das Wort, das in ihr selber sprach. Und ihre Augen wurden
    groß, und es flog um ihren Mund, und sie hatte nicht 147
    die Kraft, ein »Nein« zu sagen. Aber sie bezwang
    sich und schüttelte nur den Kopf und ging auf Tür
    und Flur zu.
    Draußen stand Christel, ein Licht in der Hand, um
    ihrer Herrin das Täschchen abzunehmen und sie die
    beiden Treppen hinabzubegleiten. Aber Melanie wies
    es zurück und sagte: »Laß, Christel, ich muß nun
    meinen Weg allein finden.« Und auf der zweiten
    Treppe, die dunkel war, begann sie wirklich zu su-
    chen und zu tappen.
    »Es beginnt früh«, sagte sie.
    Das Haus war schon auf, und draußen blies ein kalter Wind von der Brüderstraße her, über den Platz weg,
    und der Schnee federte leicht in der Luft. Sie mußte dabei des Tages denken, nun beinah jährig, wo der
    Rollwagen vor ihrem Hause hielt und wo die Flocken
    auch wirbelten wie

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