Lady Almina und das wahre Downton Abbey: Das Vermächtnis von Highclere Castle (German Edition)
ein angenehmes Schicksal gewesen. Almina war an ein behütetes Leben, in dem es ihr an nichts fehlte, gewöhnt, und sie hatte keinen Anlass zu vermuten, dass ihr jemals ein Herzenswunsch versagt bleiben würde. Außerdem war sie bis über beide Ohren in ihren frisch angetrauten Ehemann verliebt. Dennoch muss sie auch ein wenig verängstigt gewesen sein.
Spätestens beim Blick in die Samstagszeitungen nach ihrer Hochzeit muss Almina klar geworden sein, dass sie von nun an im Licht der Öffentlichkeit stand. Schon damals widmete sich die Presse eifrig den Hochzeiten der Aristokratie sowie der Reichen und Berühmten. Die Wochenzeitung Penny Illustrated Paper veröffentlichte in ihrer Kolumne »World of Women« ein ausführliches Porträt von Almina (dabei nannte das Blatt sie in der Überschrift versehentlich Miss Alice Wombwell), das auch eine detaillierte Beschreibung ihres Hochzeitskleids enthielt. Binnen eines Tages war Almina aus der Anonymität ins Blickfeld der Medien gerückt. Ihr neuer Status setzte sie auch unter Druck.
Doch der frischgebackenen Countess blieb wenig Zeit, darüber nachzudenken, was auf sie zukam. Um seiner Frau die Basis für eigene Erkundungszüge zu geben und sie mit dem Anwesen vertraut zu machen, führte der Earl sie in den folgenden Tagen durch den Park und in die umliegenden Dörfer, wo sie die ansässigen Familien besuchten. Am Sonntag nach ihrer Hochzeit nahmen sie in der Kirche von Highclere am morgendlichen Gottesdienst teil. Wie die Kirche in Westminster trug auch dieses Gotteshaus die Signatur von Sir Gilbert Scott – der Architekt hatte es rund zwanzig Jahre zuvor im Auftrag von Lord Carnarvons Vater, dem 4. Earl of Carnarvon, entworfen und gebaut.
Nachdem all diese Pflichten erfüllt waren, brach das Paar zum europäischen Festland auf. Dieser zweite Teil ihrer Hochzeitsreise würde den frisch Vermählten endlich die Möglichkeit bieten, sich näherzukommen. Nach zweiwöchiger Abwesenheit kehrten sie nach Highclere zurück, und der Alltag setzte ein. Nur dass für Almina nichts mehr so sein würde wie zuvor.
KAPITEL 2
Willkommen in Highclere
Als Almina an jenem Frühsommertag vor ihrem neuen Zuhause aus der Kutsche stieg, war sie seit Monaten Gesprächsthema gewesen. Zahllose Gerüchte und ausgiebiger Klatsch hatten die verschiedensten Wahrheiten und Spekulationen über die junge Frau des Earls zu den Bewohnern von Highclere gebracht. Alminas Ankunft wurde mit Spannung erwartet.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert war das Leben in den großen Häusern Englands noch stark von überkommenen Strukturen und Mustern geprägt. Familien dienten den Adligen über Generationen. Highclere Castle war der Wohnsitz der Earls of Carnarvon, es war aber auch das Zuhause der Dienerschaft, und die herrschaftliche Familie war auch deren Familie. Highclere glich einem Schiff mit eingeschworener Gemeinschaft, der Butler Streatfield fungierte als Kapitän. Die Erfahrung besagte, dass Gräfinnen kamen und gingen. Selbstverständlich besaß Almina Autorität und Einfluss, doch war es wichtig, dass sie möglichst schnell begriff, Teil eines gut geschmierten Räderwerks zu sein, das sie lange überdauern würde. Also gehörte es zu ihren ersten Aufgaben nach ihrer Ankunft, sich mit der Geschichte und der Gemeinschaft des Hauses vertraut zu machen.
Highclere Castle liegt an der Schnittstelle der Wegstrecken von Winchester nach Oxford und von London nach Bristol. Es wurde auf einer natürlichen Erhebung aus Kreidefelsen unweit einer antiken Route zwischen Beacon Hill und Ladle Hill erbaut. Im Süden von Highclere befindet sich der Siddown Hill, den der im 18. Jahrhundert errichtete Zierbau »Heaven’s Gate« krönt. Der Blick nach Norden reicht über Newbury hinaus bis zu den Turmspitzen von Oxford.
Die Gegend wurde von jeher ob ihrer Schönheit gerühmt. 1792, gut ein Jahrhundert vor Alminas Ankunft auf Highclere, hielt Archibald Robertson in einer Landschaftsbeschreibung fest: »High Clere Park liegt in Hampshire; mit seiner schieren Größe und der kühnen landschaftlichen Gestaltung, die von sanft gewellten Rasenflächen in lieblichen Tälern abgemildert und von Wäldchen und Gewässern belebt wird, erregt er die Bewunderung des Betrachters. Das Anwesen gehört gewiss zu den elegantesten Herrensitzen des Landes.«
Erste Siedlungen gab es in Highclere bereits vor mehreren tausend Jahren. In Beacon Hill ist eine Festung aus der Eisenzeit erhalten. Das Areal war 800 Jahre lang im Besitz der
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