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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
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Schulerziehung, soweit man von der reden kann, ihr Gesundheitswesen, ihre Bücher, ihre Musik – überhaupt alles? Wer hat es ihnen denn gegeben? Haben es Bergleute den Bergleuten gegeben? Nein! Alle die Wragbys und Shipleys in England haben ihr Teil gegeben und müssen fortfahren, es zu geben. Das ist deine Verantwortung.» Connie hörte zu und wurde rot.
    «Ich würde gern etwas hingeben», sagte sie, «aber ich darf nicht. Alles muß verkauft und bezahlt werden; und alles, was du eben aufgezählt hast, verkauft Wragby und Shipley den Leuten, und mit einem beträchtlichen Profit. Alles müssen sie kaufen. Du schenkst ihnen nicht einen Herzschlag aufrichtiger Sympathie. Und außerdem, wer hat dem Volk sein natürliches Leben genommen, sein Menschtum, und ihm dafür dies Industrieungeheuer gegeben? Wer hat das getan?»
    «Und was soll ich tun?» fragte er, grün im Gesicht. «Sie bitten, zu mir zu kommen und mich zu plündern?»
    «Warum ist Tevershall so häßlich, so grauenhaft? Warum ist das Leben der Leute dort so ohne Hoffnung?»
    «Sie haben sich selber ihr Tevershall gebaut. Das gehört zur Entfaltung ihrer Freiheit. Sie haben sich selbst ihr hübsches Tevershall gebaut, und sie führen ihr eigenes angenehmes Leben. Ich kann nicht ihr Leben für sie führen. Jeder Käfer muß sein eigenes Leben leben.»
    «Aber du läßt sie für dich arbeiten. Sie leben das Leben deines Kohlenbergwerks.»
    «Ganz und gar nicht. Jeder Käfer findet selber seine Nahrung. Nicht ein einziger Mann ist gezwungen, für mich zu arbeiten.»
    «Ihr Leben ist industrialisiert und hoffnungslos, und unseres ist genauso!» sagte sie heftig.
    «Das kann ich nicht finden. Das ist nur eine romantische Phrase, ein Überbleibsel der untergehenden, sterbenden Romantik. Du siehst ganz und gar nicht hoffnungslos aus, wie du dastehst, Connie, mein Liebling.»
    Und das stimmte. Ihre dunkelblauen Augen flammten, Röte brannte heiß in ihren Wangen, und rebellische Leidenschaft ging von ihr aus, weit entfernt von trostloser Hoffnungslosigkeit. Wo das Gras in Büscheln stand, sah sie flockige junge Schlüsselblumen, noch in Flaum gehüllt. Und sie fragte sich voll Wut, warum sie fühlte, daß Clifford unrecht hatte, aber sie konnte es ihm nicht sagen, sie konnte nicht einmal genau sagen, worin sein Unrecht bestand.
    «Kein Wunder, daß die Leute dich hassen», sagte sie.
    «Tun sie ja gar nicht!» erwiderte er. «Irr dich nur nicht: wie du das Wort gebrauchst, sind sie gar keine ‹Leute›. Es sind Tiere, die du nicht verstehst und nie verstehen könntest. Zwänge andere Leute nicht in deine Vorstellungen. Die Massen waren sich immer gleich und werden sich immer gleich bleiben. Neros Sklaven unterschieden sich kein winziges bißchen von unseren Bergleuten oder den Arbeitern in den Fordwerken. Ich meine Neros Bergwerksklaven und seine Feldsklaven. So sind die Massen: immer dasselbe. Ein Individuum mag sich über die Massen erheben, aber dieses Sich-Erheben ändert die Masse nicht. Die Massen sind nicht zu ändern. Das ist eine der wichtigsten Tatsachen der Sozialwissenschaft. Panem et circenses! Nur gibt man ihnen heute Erziehung, und das ist ein schlechter Ersatz für Spiele. Der Fehler heute ist, daß wir den Programmteil ‹Spiele› gründlich verpfuscht und unsere Massen mit ein bißchen Erziehung vergiftet haben.»
    Wenn Clifford mit seinen Gefühlen über das Volk in Fahrt geriet, hatte Connie Angst. Etwas verheerend Wahres war in dem, was er sagte. Aber es war eine Wahrheit, die tötet.
    Als Clifford sie so blaß und still dastehen sah, setzte er den Stuhl wieder in Gang, und sie sprachen nicht mehr, bis sie zu der Waldpforte kamen; dort blieb er stehen, und sie öffnete sie ihm.
    «Was wir heute brauchen», sagte er, «sind Peitschen, nicht Schwerter. Die Massen sind regiert worden seit dem Anfang der Welt und müssen weiter regiert werden bis zum Ende der Welt. Es ist eine Heuchelei und eine Farce, zu behaupten, sie könnten sich selber regieren.»
    «Aber kannst du sie regieren?» fragte sie.
    «Ich? O ja! Weder mein Verstand noch mein Wille ist verkrüppelt, und mit meinen Beinen regiere ich nicht. Ich kann mein Teil zum Regieren beitragen: durchaus mein Teil. Gib mir einen Sohn, und er wird nach mir imstande sein, sein Teil am Regieren beizutragen.»
    «Er würde nicht dein eigener Sohn sein, nicht zu deiner eigenen herrschenden Klasse gehören – oder immerhin vielleicht nicht», stotterte sie.
    «Es ist mir gleich, wer sein Vater ist,

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