Lady Chatterley (German Edition)
Laß mich so, wie ich bin, solange ich kann. Nachher kannst du mich alles fragen. Aber jetzt laß mich, laß mich!»
Und sanft legte er die Hand über ihren Venusberg, auf das weiche braune Jungfernhaar und saß ganz still und nackt auf dem Bettrand, sein Gesicht reglos in physischer Entrücktheit, fast wie das Gesicht Buddhas. Reglos und umlodert von der unsichtbaren Flamme eines anderen Bewußtseins saß er da, mit der Hand auf ihr, und wartete, bis es vorüber war.
Nach einer Weile langte er nach seinem Hemd und zog es an, zog sich schnell und schweigend an, sah einmal zu ihr hin, wie sie da noch immer nackt und goldenschimmernd auf dem Bett lag, wie eine Gloire-de-Dijon-Rose, und dann ging er hinaus. Sie hörte, wie er unten die Tür öffnete.
Und sie lag da und dachte nach. Es war so schwer zu gehen, aus diesem Haus zu gehen. Vom Fuß der Treppe aus rief er: «Halb acht!» Und sie seufzte und stieg aus dem Bett. Das kahle kleine Zimmer! Nichts als die kleine Kommode und das schmale Bett. Aber der Bretterboden war sauber gescheuert. Und in der Ecke beim Fenstergiebel stand ein Bord mit ein paar Büchern – einige davon aus einer Leihbibliothek. Sie besah sie: Bücher über das bolschewistische Rußland, Reisebeschreibungen, ein Band über Atome und Elektronen, einer über die Zusammensetzung des Erdinnern und die Ursache von Erdbeben, dann ein paar Romane und schließlich drei Bücher über Indien. So! Er las also!
Die Sonne fiel durch das Giebelfenster auf ihre nackten Glieder. Sie sah die Hündin Flossie draußen umherstreifen. Das Haseldickicht war grün verschleiert, und dunkelgrünes Bingelkraut stand darunter. Es war ein heller, klarer Morgen, und Vögel flogen umher und jubilierten. Wenn sie nur bleiben könnte! Wenn nur nicht die andere Welt wäre, die schreckliche aus Rauch und Eisen! Wenn doch nur er ihr eine Welt machen würde.
Sie ging die Stiege hinunter, die steile, enge Holzstiege hinunter. Ja, sie würde zufrieden sein mit diesem kleinen Haus, wenn es nur in einer Welt für sich allein stünde.
Er war gewaschen und frisch, und das Feuer brannte.
«Willst du etwas essen?» fragte er.
«Nein. Leih mir nur einen Kamm.»
Sie folgte ihm in die Waschküche und kämmte sich das Haar vor dem handbreiten Spiegel neben der Hintertür. Dann war sie fertig zum Aufbruch.
Sie stand im kleinen Vorgarten und sah auf die betauten Blumen hinab, auf das silbergraue Nelkenbeet, das schon in Knospen stand.
«Ich wollte, daß die ganze übrige Welt verschwände», sagte sie, «und daß ich mit dir hier leben könnte.»
«Sie wird nicht verschwinden», erwiderte er.
Fast ohne ein Wort zu sprechen, gingen sie durch den schönen, taunassen Wald. Doch sie waren beieinander in einer eigenen Welt.
Es war bitter für sie, nach Wragby zurückgehen zu müssen.
«Ich möchte bald kommen und ganz mit dir leben», sagte sie, als sie sich von ihm trennte. Er lächelte und sagte nichts.
Leise und unbemerkt kam sie ins Haus und ging in ihr Zimmer hinauf.
FÜNFZEHNTES KAPITEL
Ein Brief von Hilda lag auf dem Frühstückstablett. «Vater fährt diese Woche nach London, und ich hole Dich Donnerstag in einer Woche, am 17. Juni, ab. Du mußt fertig sein, damit wir sofort aufbrechen können. Ich möchte keine Zeit auf Wragby vergeuden, es ist so scheußlich dort. Wahrscheinlich bleibe ich über Nacht in Retford, bei den Colemans, so daß ich am Donnerstag zum Mittagessen bei Dir sein würde. Dann könnten wir um die Teezeit aufbrechen und vielleicht in Grantham übernachten. Es hat keinen Sinn, mit Clifford noch einen Abend zu verbringen. Wenn er so sehr dagegen ist, daß Du wegfährst, würde es kein Vergnügen für ihn sein.»
So! Sie wurde also schon wieder auf dem Schachbrett herumgeschoben.
Clifford graute sich davor, sie gehen zu lassen – aber nur, weil er sich nicht sicher fühlte, wenn sie weg war. Ihre Gegenwart gab ihm aus irgendeinem Grund das Gefühl der Sicherheit und der Freiheit, all das zu tun, womit er sich beschäftigte. Er hielt sich viel im Bergwerk auf und schlug sich mit den fast hoffnungslosen Problemen herum, seine Kohle auf die ökonomischste Art zu fördern und sie dann zu verkaufen. Er wußte, er müßte eine Möglichkeit finden, sie zu verwenden oder sie umzuwandeln, damit er sie nicht zu verkaufen brauchte oder den Verdruß hätte, sie nicht loszuwerden. Aber wenn er sie in elektrische Kraft umwandelte – könnte er die verkaufen oder selber verwenden? Und sie in Öl umzuwandeln war bis
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