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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
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zwanzig Jahre älter als ich, war ein gescheiter Mann und ganz allein beim Militär, wie so jemand eben ist; ein leidenschaftlicher Mann in gewisser Weise und ein prima Offizier. Ich stand ganz unter seinem Einfluß, solange ich mit ihm zusammen war. Er hat so ziemlich mein Leben gelenkt. Und ich hab das niemals bereut.»
    «Und hat es dich sehr getroffen, als er starb?»
    «Ich war dem Tod genauso nah. Aber als ich das kapierte, wußte ich, daß wieder ein Teil von mir erledigt war. Na – schließlich hatte ich immer gewußt, daß es mit dem Tod aufhört. Das ist mit allem so.»
    Sie saß da und dachte nach. Draußen krachte der Donner. Es war, als säßen sie in einer kleinen Arche mitten in der Sintflut.
    «Du scheinst viel hinter dir zu haben», sagte sie.
    «Meinst du? Mir kommt es vor, als wäre ich schon ein paarmal gestorben. Trotzdem sitze ich jetzt hier und mache weiter und halse mir wieder Scherereien auf.»
    Sie dachte angestrengt nach und lauschte gleichzeitig auf den Sturm.
    «Und warst du glücklich als Offizier und Gentleman, als dein Oberst tot war?»
    «Nein! Es war eine rüde Gesellschaft.» Er lachte plötzlich. «Der Oberst sagte immer: ‹Junge, die englischen Mittelklassen müssen jeden Happen dreißigmal kauen, weil ihre Gedärme so eng sind: ’n Stück so groß wie ’ne Erbse würde ihnen schon Verstopfung bereiten. ’ne filzige Bande aufgeplusterter Hühner: eingebildet bis dorthinaus und etepetete bis auf die Schnürsenkel, multschig wie abgehangenes Wildfleisch und immer im Recht. Das macht mich fertig. Buckeln, immer nur Buckeln und Arschlecken, bis die Zungen ganz rauh sind: aber sie sind immer im Recht. Und dazu noch eingebildete Laffen. Laffen! Eine Generation von gezierten Laffen mit je ’nem halben Ei› –»
    Connie lachte. Der Regen rauschte herab.
    «Er hat sie gehaßt.»
    «Nein», sagte der Mann, «er kümmerte sich nicht um sie. Er mochte sie einfach nicht. Das ist ein Unterschied. Weil die Tommies genauso läppisch und eingebildet werden, sagte er, und nur noch ’n halbes Ei haben und enge Därme. Das ist nun mal Schicksal der Menschheit.»
    «Die einfachen Leute auch? Die Arbeiter?»
    «Die gesamte Bagage. Ihr Mumm ist hin. Autos und Kintopp und Flugzeuge, dafür lassen sie sich aussaugen. Ich sage dir, jede Generation züchtet ’ne noch karnickelhaftere Generation, mit Gummischläuchen statt Gedärmen und Blechbeinen und Blechgesichtern. Blechmenschen! ’ne Art sturer Bolschewismus das Ganze, tötet alles Menschliche einfach ab, himmelt alles Mechanische an. Geld, Geld, Geld! Die ganze Gesellschaft heutzutage ist nur drauf aus, die alten menschlichen Gefühle abzuwürgen und dem alten Adam und der alten Eva den Garaus zu machen. Sie sind alle gleich. Die ganze Welt ist so: abschaffen, was wirklich ist am Menschen! ein Pfund für jede Vorhaut! zwei Pfund für jedes Paar Hoden! Was ist Beischlaf schon anderes als Maschinenfickerei! – ist überall dasselbe. Zahl ihnen Geld, und sie schneiden der Welt ’n Schwanz ab. Zahl ihnen Geld, Geld, Geld, und alles Blut wird aus den Menschen gepreßt, und lauter alberne kleine Maschinen bleiben übrig.»
    Er saß da in der Hütte, das Gesicht in höhnischer Ironie verzogen. Doch sogar jetzt noch horchte er mit einem Ohr auf den Sturm überm Wald. Er gab ihm so ein Gefühl des Alleinseins.
    «Aber wird es nie zu einem Ende kommen?» fragte sie.
    «Doch, es wird. Wird sich schon selbst erlösen. Wenn der letzte wirkliche Mensch umgebracht ist und sie alle zahm sind: Weiße, Schwarze, Gelbe – wenn alle Farben zahm sind: dann sind sie alle schizophren. Was normal ist, das wurzelt nämlich in den Hoden. Dann sind sie alle verrückt und veranstalten das große Autodafé. Du weißt doch, Autodafé heißt ‹Akt des Glaubens›. Also, dann veranstalten sie ihren eigenen großen kleinen Akt des Glaubens. Sie bringen sich gegenseitig zum Opfer.»
    «Du meinst, sie bringen sich gegenseitig um?»
    «So ist es, mein Herz. Wenn wir so weitermachen mit unserm Tempo, dann gibt’s in hundert Jahren keine zehntausend Menschen auf dieser Insel mehr, vielleicht keine zehn. Haben sich gegenseitig liebevoll aus dem Weg geräumt.» Der Donner rollte weiter weg.
    «Wie nett!» sagte sie.
    «Ja, ganz nett! Dran zu denken, wie die menschliche Spezies sich selbst ausrottet, und dann die lange Pause, bevor eine neue Spezies den Kopf rausstreckt – das beruhigt einen mehr als alles andere. Und wenn wir so weitermachen – alle, Intellektuelle,

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