Lady Chatterley (German Edition)
vergnügt.»
Sie sprach ganz gleichmütig jetzt. Schließlich, warum ihn noch weiter aufbringen? Argwöhnisch sah er sie an.
«Und sieh dir dein Haar an!» sagte er. «Sieh dich überhaupt an!»
«Ja», entgegnete sie ruhig. «Ich rannte nackt in den Regen hinaus.»
Er starrte sie sprachlos an.
«Du mußt verrückt sein!» sagte er.
«Warum? Weil ich eine Regendusche gern habe?»
«Und wie hast du dich abgetrocknet?»
«Mit einem alten Handtuch und am Feuer.»
Er starrte sie noch immer entgeistert an.
«Und angenommen, es wäre jemand gekommen?» fragte er dann.
«Wer sollte kommen?»
«Wer? Na, irgend jemand! Mellors! Ist er nicht gekommen? Er muß doch immer abends kommen.»
«Ja, er kam später, als es sich aufgeklärt hatte, und gab den Fasanen Mais.»
Sie sprach mit erstaunlicher Unbefangenheit. Mrs. Bolton, die im angrenzenden Zimmer lauschte, bewunderte sie rückhaltlos. Zu denken, daß eine Frau das so selbstverständlich über die Lippen brachte!
«Und angenommen, er wäre gekommen, als du gerade nackend im Regen herumliefst, wie eine Verrückte?»
«Ich vermute, er hätte den Schreck seines Lebens gekriegt und wäre weggelaufen, so schnell er nur konnte.»
Noch immer starrte Clifford sie betäubt an. Was in seinem Unterbewußtsein vorging, würde er niemals wissen. Und er war auch zu verdutzt, um einen bewußten, klaren Gedanken formen zu können. Was sie sagte, nahm er einfach hin, in einem Zustand der Leere. Und er bewunderte sie. Er konnte sich nicht helfen, er mußte sie bewundern. Sie sah so blühend und hübsch und glatt aus – liebesglatt.
«Jedenfalls kannst du froh sein, wenn du ohne eine heftige Erkältung davongekommen bist», sagte er resignierend.
«Oh, ich hab mich nicht erkältet!» erwiderte sie. Sie dachte bei sich an die Worte des anderen Mannes: Du hast den hübschesten Weiberarsch, den’s gibt! Und sie wünschte, wünschte von Herzen, sie könnte Clifford erzählen, daß dies während des ominösen Gewittersturms zu ihr gesagt worden war. Na schön. Sie gab sich wie eine beleidigte Königin und ging nach oben, um sich umzuziehen.
Diesen Abend wollte Clifford nett zu ihr sein. Er war gerade dabei, ein jüngst erschienenes religionswissenschaftliches Buch zu lesen: er besaß eine Spur unechter Religiosität und war auf egozentrische Weise um die Zukunft seines Ich besorgt. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, mit Connie über irgendein Buch Konversation zu machen, da eben zwischen ihnen Konversation gemacht werden mußte – chemisch geradezu. Sie mußten sie sozusagen chemisch im Kopf zusammenbrauen.
«Was hältst du übrigens hiervon?» fragte er und griff nach dem Buch. «Du hättest es nicht nötig, deinen hitzigen Körper zu kühlen, indem du in den Regen hinausrennst, wenn wir nur ein paar Evolutionsäonen mehr hinter uns hätten. Ah ja, hier ist es! – ‹Das Universum zeigt sich uns von zwei Seiten: auf der einen ist es in physischem Verfall begriffen, auf der andern erlebt es einen Aufstieg im Geiste.›»
Connie hörte zu und wartete auf weiteres. Doch Clifford hielt inne. Überrascht sah sie ihn an.
«Wenn es geistig aufsteigt», warf sie ein, «was läßt es dann unter sich, da, wo seine Kehrseite war?»
«Ach!» sagte er. «Versteh den Mann doch so, wie er es meint. Aufstieg soll hier wohl das Gegenteil von Verfall sein, nehme ich an.»
«Geistig aufgeblasen also!»
«Nein. Aber im Ernst, Spaß beiseite jetzt: glaubst du, daß da was dran ist?»
Sie sah ihn wieder an.
«Physischer Verfall?» wiederholte sie. «Ich sehe, wie du dicker wirst, und ich selber verfalle auch nicht. Glaubst du, die Sonne ist kleiner, als sie sonst war? Für mich ist sie’s nicht. Und ich vermute, der Apfel, den Eva Adam anbot, war nicht viel größer – wenn überhaupt – als einer unserer Pippingäpfel. Oder meinst du, doch?»
«Na gut, hör zu, was er noch sagt: ‹Langsam schreitet es so fort, mit einer Langsamkeit, die unsere Zeitmessung nicht einzubegreifen vermag, neuen schöpferischen Konditionen entgegen, in deren Mitte die physische Welt, wie sie uns jetzt vertraut ist, nur in leisem Wellenschlag vorhanden sein wird, kaum zu unterscheiden vom Nichtsein.›»
Mit einem Anflug von Belustigung hörte sie zu. Alle möglichen unanständigen Entgegnungen boten sich ihr an. Aber sie sagte nur:
«Was für ein dummer Hokuspokus! Als ob sein kleiner, hochmütiger Verstand etwas wissen konnte von Dingen, die so langsam vor sich gehen! Das besagt nur, daß er
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