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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
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Donnerstagvormittag an – in einem schnittigen Zweisitzer, den Koffer fest hinten draufgeschnallt. Sie sah so sittsam und mädchenhaft aus wie immer, doch sie war noch so eigenwillig wie eh und je. Sie hatte einen wahren Teufelswillen im Leib, wie ihr Mann festgestellt hatte. Aber jetzt ließ er sich von ihr scheiden. Sie machte ihm diesen Schritt sogar leicht, obgleich sie keinen Geliebten hatte. Sie hatte die Männer zur Zeit satt. Sie war es vollkommen zufrieden, ganz ihr eigener Herr zu sein: und Herr über ihre beiden Kinder, die sie ‹anständig› erziehen wollte – was immer das bedeuten mochte.
    Connie durfte ebenfalls nur einen Koffer mitnehmen. Doch sie hatte schon einen großen Kleiderkoffer an ihren Vater abgeschickt, der mit dem Zug fahren würde. Er hielt es für zwecklos, ein Auto nach Venedig mitzunehmen. Und Italien war im Juli überhaupt zu heiß für Autotouren. Er war gerade von Schottland heruntergekommen.
    Und so, wie ein strammer arkadischer Reisemarschall, regelte Hilda alles Praktische für die Fahrt. Sie und Connie saßen oben im Zimmer und schwatzten.
    «Aber Hilda», sagte Connie ein wenig verängstigt, «ich möchte heute nacht noch hier bleiben. Nicht hier: in der Nähe!»
    Hilda fixierte ihre Schwester mit grauen, undurchdringlichen Augen. Sie schien so ruhig und gelassen und war doch oft so aufbrausend.
    «Wo in der Nähe?» fragte sie sanft.
    «Na ja, du weißt doch, ich liebe jemanden.»
    «Ich habe mir so etwas gedacht.»
    «Also, er wohnt hier in der Nähe, und ich möchte diese letzte Nacht mit ihm verbringen. Ich muß! Ich hab’s versprochen!»
    Connie ließ nicht locker.
    Hilda senkte ihr minervengleiches Haupt in Schweigen. Dann sah sie auf.
    «Möchtest du mir wohl sagen, wer es ist?»
    «Es ist unser Heger», stotterte Connie, und sie wurde glutrot wie ein verschämtes Kind.
    «Connie!» sagte Hilda und zog vor Abscheu ein wenig die Nase hoch – ein Reflex, den sie von ihrer Mutter hatte.
    «Ich weiß – aber er ist wunderbar, wirklich. Er versteht sich auf Zärtlichkeit», sagte Connie, als versuche sie, sich für ihn zu entschuldigen. Hilda, einer rotwangigen, farbglühenden Athene gleich, senkte den Kopf und dachte nach. In Wahrheit war sie von wütendem Ärger erfüllt. Aber sie wagte nicht, das zu zeigen, denn Connie, die ihrem Vater nachgeriet, würde auf der Stelle widerspenstig und bockig werden.
    Es stimmte zwar; Hilda mochte Clifford nicht: seine kühle Selbstüberheblichkeit! Sie war der Meinung, daß er Connie schamlos und frech ausnütze. Sie hatte immer gehofft, daß ihre Schwester ihn eines Tages verließe. Aber da sie dem soliden schottischen Mittelstand entstammte, haßte sie jede ‹Erniedrigung› der eigenen Person oder der Familie. Endlich hob sie den Kopf.
    «Du wirst es bereuen», sagte sie.
    «Nie!» rief Connie, blutübergossen. «Er ist wirklich eine Ausnahme. Ich liebe ihn. Er ist herrlich als Liebhaber!»
    Hilda dachte noch immer nach.
    «Du wirst ihn bald überhaben», sagte sie, «und dich dein Leben lang seinetwegen schämen.»
    «Bestimmt nicht! Ich hoffe, ich bekomme ein Kind von ihm.»
    «Connie!» sagte Hilda hart wie ein Hammerschlag und blaß vor Zorn.
    «Ich werde, wenn ich nur irgend kann. Ich wäre über die Maßen stolz, wenn ich ein Kind von ihm hätte.»
    Es hatte keinen Zweck, mit ihr zu reden. Hilda überlegte.
    «Und hat Clifford keinen Verdacht?» fragte sie dann.
    «O nein! Warum sollte er?»
    «Ich zweifle nicht daran, daß du ihm genügend Gelegenheit zum Argwohn gegeben hast», entgegnete Hilda.
    «Überhaupt nicht.»
    «Und diese Geschichte heute nacht scheint mir eine ganz unnütze Torheit. Wo wohnt der Mann?»
    «In dem Häuschen am anderen Ende des Waldes.»
    «Ist er Junggeselle?»
    «Nein. Aber seine Frau hat ihn verlassen.»
    «Wie alt?»
    «Ich weiß nicht. Älter als ich.»
    Bei jeder Antwort wurde Hilda zorniger – so zornig, wie ihre Mutter, in einer Art von Paroxismus. Doch noch verbarg sie es.
    «Ich würde auf die Eskapade heute nacht verzichten, wenn ich du wäre», riet sie ruhig.
    «Ich kann nicht! Ich muß die Nacht mit ihm verbringen, oder ich kann überhaupt nicht nach Venedig fahren. Ich kann einfach nicht.»
    Hilda hörte wieder den Vater heraus, und sie gab nach, aus reiner Diplomatie. Sie willigte ein, zum Abendessen mit Connie nach Mansfield zu fahren, sie dann nach dem Dunkelwerden ans Ende des Wiesenweges zu bringen und sie dort am nächsten Morgen wieder abzuholen, selber in Mansfield zu

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