Lady Chatterley (German Edition)
Bertha Coutts sich nicht auf ihre eigenen Erlebnisse und Leiden beschränkt hat. Mit höchster Lautstärke hat sie bekanntgegeben, daß ihr Gemahl unten im Forsthaus Frauen gehabt habe, und hat wahllos welche genannt. Das hat ein paar untadelige Namen durch den Schmutz geschleift, und die ganze Angelegenheit ist um ein Beträchtliches zu weit gegangen. Ein gerichtliches Verbot wurde gegen die Frau erlassen.
Ich mußte mit Mellors wegen der Sache reden, da es sich als unmöglich erwiesen hatte, die Person vom Wald fernzuhalten. Er läuft herum wie gewöhnlich und trägt die unbekümmertste Miene zur Schau, als wolle er sagen: das geht mich alles gar nichts an – was hab denn ich damit zu schaffen? Trotzdem – ich hege den scharfsinnigen Verdacht, daß er sich wie ein Hund vorkommt, dem man eine Blechbüchse an den Schwanz gebunden hat. Wenn er auch sehr gekonnt so tut, als wäre keine Büchse da. Aber ich habe gehört, daß die Frauen im Dorf ihre Kinder zu sich rufen, wenn er vorbeigeht, als sei er der Marquis de Sade in Person. Er bewegt sich mit einer gewissen Unverfrorenheit, aber ich fürchte, die Blechbüchse ist ihm fest angebunden, und im stillen sagt er sich wie Don Rodrigo in der spanischen Ballade: ‹Ach, jetzt beißt’s mich dort, wo ich am meisten gesündigt habe!›
Ich fragte ihn, ob er glaube, daß er imstande sei, weiter seiner Arbeit im Wald nachzugehen, und er sagte, er finde nicht, daß er sie vernachlässigt habe. Ich machte ihm klar, daß es sehr ärgerlich sei, die Frau hier herumlungern zu haben. Worauf er entgegnete, er habe keine Macht, sie zu arretieren. Dann spielte ich auf den Skandal an und seinen unerfreulichen Verlauf. ‹Ja›, sagte er, ‹die Leute sollten lieber selber ficken, dann hätten sie es nicht nötig, soviel Gefurz über das Tun und Treiben eines andern loszulassen.›
Er sagte das mit einiger Bitterkeit, und zweifellos ist ein Körnchen Wahrheit darin enthalten. Seine Art, sich auszudrücken, hingegen ist weder delikat noch respektvoll. Ich gab es ihm zu verstehen, und da hörte ich die Blechbüchse wieder klappern. ‹Einem Mann in Ihrem Zustand, Sir Clifford, kommt es doch nicht zu, mir vorzuwerfen, daß ich einen Sack zwischen den Beinen hab.›
Solche Sachen, die er unterschiedslos allen und jedem sagt, helfen ihm natürlich durchaus nicht, und der Pfarrer und Linley und Burroughs und alle hielten es für besser, wenn der Mann von hier verschwände.
Ich fragte ihn, ob es wahr sei, daß er sich unten im Forsthaus Damen hielte, und alles, was er dazu sagte, war: ‹Was geht das Sie an, Sir Clifford?› Ich hielt ihm vor, daß mir daran gelegen sei, auf meinem Besitz die gute Form gewahrt zu wissen, worauf er entgegnete: ‹Dann knöpfen Sie doch all den Weibern die Mäuler zu.› – Als ich ihm zusetzte wegen seines Lebens im Forsthaus, sagte er: ‹Ganz sicher könnten Sie aus mir und meiner Flossie einen Skandal herausquetschen. Sie haben da was verpaßt.› Wahrhaftig, als ein Muster von Unverschämtheit ist er schwerlich zu überbieten.
Ich fragte ihn, ob es leicht für ihn sein würde, eine neue Stellung zu finden. Er sagte: ‹Wenn Sie damit andeuten wollen, daß Sie mich gern rausschmeißen würden aus dieser Stellung, so würde das weiter keine Schwierigkeiten machen.› So machte er also nicht das geringste Aufhebens davon, Ende nächster Woche hier aufzuhören, und ist anscheinend bereit, einen jungen Burschen – Joe Chambers heißt er – in so viele Geheimnisse seines Handwerks einzuweihen wie möglich. Ich sagte ihm, ich würde ihm einen Monatslohn extra geben, wenn er ginge. Er erwiderte, er halte es für besser, ich behielte mein Geld, da ich keinen Grund hätte, mein Gewissen zu erleichtern. Ich fragte, was er damit meine, und er sagte: ‹Sie schulden mir nichts extra, Sir Clifford, dann zahlen Sie mir auch nichts extra. Wenn Sie meinen, mein Hemd hängt heraus, dann sagen Sie es mir nur.›
Vorläufig wäre das nun das Ende der Geschichte. Die Frau ist weg; wir wissen nicht, wohin, aber sie muß mit einer Verhaftung rechnen, wenn sie in Tevershall wieder auftaucht. Und ich habe gehört, sie hat eine irrsinnige Angst vor dem Kerker – weil sie ihn so sehr verdient. Mellors geht Sonnabend in einer Woche, und es wird hier bald wieder alles so sein wie sonst.
Inzwischen, meine liebe Connie – sollte es Dir Freude machen, bis Anfang August in Venedig oder in der Schweiz zu bleiben, so ist mir der Gedanke lieb, daß Du fern von all diesem
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