Lady Chatterley (German Edition)
war vorübergehend verliebt in ihn – wenn man so sagen kann.
Und am nächsten Morgen war Mick unsteter denn je: unruhig, verstört, die Hände nervös in den Hosentaschen vergraben. Connie war in der Nacht nicht zu ihm gekommen – und er hatte nicht gewußt, wo sie zu finden war. Koketterie! In diesem Augenblick des Triumphs!
Am Morgen ging er in ihren Salon hinauf. Sie wußte, daß er kommen würde. Und seine Unruhe war ihm anzumerken. Er fragte sie aus über sein Stück … hielt sie es für gut? Er mußte hören, daß es gepriesen wurde. Das verschaffte ihm einen letzten Kitzel von Leidenschaft – mehr als jeder sexuelle Orgasmus. Und sie pries es stürmisch. Doch die ganze Zeit über, auf dem Grund ihrer Seele, wußte sie, daß es ein Nichts war.
«Hör zu», kam es endlich aus ihm heraus, «warum kommen wir beide, du und ich, nicht ins reine miteinander? Warum heiraten wir nicht?»
«Aber ich bin verheiratet!» erwiderte sie verblüfft und empfand doch nichts.
«Ach das! … Er wird sich schon von dir scheiden lassen … Warum heiraten wir nicht? Ich möchte heiraten. Ich weiß, daß es das beste für mich sein würde – heiraten und ein geregeltes Leben führen. Ich führe ein Höllenleben, reiße mich schlechthin in Stücke. Schau her, du und ich, wir sind füreinander geschaffen, wir passen zusammen. Warum heiraten wir nicht? Siehst du irgendeinen Grund, warum wir es nicht tun sollten?»
Connie sah ihn verblüfft an; und doch empfand sie nichts. Diese Männer, sie waren alle gleich, sie dachten an nichts. Sie schossen nur immer davon, mit den Köpfen voran – wie Raketen –, und erwarten von einem, daß man zugleich mit ihren dünnen Stäben himmelwärts getragen werde.
«Aber ich bin schon verheiratet», sagte sie, «ich kann Clifford nicht allein lassen, du weißt es doch.»
«Warum nicht? Warum denn nicht?» lamentierte er. «Nach sechs Monaten wird er kaum noch wissen, daß du weggegangen bist. Er weiß überhaupt nicht, daß irgend jemand außer ihm existiert. Der Mensch hat nicht die geringste Verwendung für dich, soweit ich das beurteilen kann; er geht vollkommen in sich selber auf.»
Connie spürte, daß etwas Wahres daran war. Aber sie spürte auch, daß Mick auch nicht gerade ein Muster an Selbstlosigkeit war.
«Gehen nicht alle Männer in sich selber auf?» fragte sie.
«Oh, ich gebe zu, mehr oder minder. Der Mann muß so sein, um durchzukommen. Aber das ist nicht der springende Punkt. Der springende Punkt ist: was für ein Leben kann ein Mann einer Frau bieten? Kann er ihr, verdammt noch mal, ein gutes Leben bieten, oder kann er es nicht? Wenn er es nicht kann, dann hat er auch kein Recht auf die Frau …» Er hielt inne und starrte sie mit seinen großen Haselnußaugen beinahe hypnotisch an. «Also, ich denke», fügte er dann hinzu, «ich kann einer Frau das verdammt beste Leben bieten, das sie sich nur wünschen kann. Ich glaube, dafür kann ich die Hand ins Feuer legen.»
«Und was für eine Art gutes Leben?» fragte Connie; sie starrte ihn noch immer mit einem Staunen an, das wie Erregung wirkte, und darunter fühlte sie nichts, aber auch nichts.
«Jede Art von gutem Leben, verdammt noch mal, jede! Kleider, Schmuck bis zu einem gewissen Grad, jedes Nachtlokal, das du magst, jeden Menschen kennenlernen, den du willst, überall mitmachen … reisen und immer jemand sein, wohin du auch kommst … Jede Art von gutem Leben eben, verdammt!»
Er sprach dies alles mit einem nahezu triumphierenden Feuer aus, und Connie sah ihn an, wie wenn sie geblendet sei, und empfand in Wirklichkeit doch überhaupt nichts. Kaum, daß die Oberfläche ihres Geistes von den glühenden Aussichten, die er ihr eröffnete, berührt war. Kaum, daß auch nur ihr äußerliches Ich reagierte, das zu jeder anderen Zeit elektrisiert gewesen wäre. Nicht das geringste Empfinden dafür kam in ihr auf, es ließ sie kalt. Sie saß nur da und starrte ihn an und sah betäubt aus und fühlte nichts, nur irgendwo witterte sie den höchst fatalen Geruch der Hundsgöttin.
Mick saß wie auf Kohlen, er lehnte sich nach vorn in seinem Stuhl und durchbohrte sie mit geradezu hysterischem Blick: und ob er nun eher aus Eitelkeit darauf erpicht war, daß sie Ja sagte, oder ob er eher Angst davor hatte, daß sie eventuell Ja sagen könnte – wer weiß es?
«Ich werde darüber nachdenken müssen», sagte sie, «ich kann jetzt noch nichts sagen. Vielleicht kommt es dir so vor, als zähle Clifford nicht, aber er
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