Lady Chatterley (German Edition)
zählt. Denk doch daran, wie hilflos er ist …»
«Ach, zum Teufel! Wenn man aus seiner Hilflosigkeit Gewinn schlagen will, dann könnte ich damit anfangen, wie allein ich bin, immer gewesen bin, und mit all dem übrigen rührseligen Kram! Verdammt noch mal, wenn man sonst nichts weiter hat als seine Hilflosigkeit, und es damit machen will …»
Er kehrte sich ab und bohrte die Hände wütend in die Hosentaschen. Am Abend sagte er zu ihr:
«Du kommst doch heute nacht zu mir ins Zimmer? Ich weiß verdammt noch mal nicht, wo deines ist.»
«Schon gut», antwortete sie.
In dieser Nacht war er ein erregterer Liebhaber als sonst, in seiner eigentümlichen, knabenhaft zarten Nacktheit. Es war Connie unmöglich, zu ihrer Befriedigung zu kommen, bevor er die seine erlangt hatte. Und er rührte eine sehnsüchtige Leidenschaft in ihr auf mit seiner knabenhaften Nacktheit und Weichheit; als er fertig war, mußte sie fortfahren im wilden Tumult und Auf und Ab ihrer Hüften, während er sich heroisch aufrecht und bereit in ihr hielt, mit seiner ganzen Willenskraft und dem Wunsch, sich hinzugeben, bis sie unter geisterhaften kleinen Schreien zu ihrem Orgasmus kam.
Als er sich schließlich von ihr löste, sagte er mit bitterer, fast spöttischer, leiser Stimme:
«Du kannst nie gleichzeitig mit dem Mann da sein, nein! Du mußt dich selber so weit bringen! Natürlich mußt du immer alles dirigieren!»
Diese Worte, in diesem Augenblick gesprochen, bedeuteten eine der Erschütterungen ihres Lebens. Weil dieses passive Sichhingeben so offensichtlich sein einziger Modus des geschlechtlichen Zusammenseins war.
«Was meinst du?» fragte sie.
«Du weißt ganz gut, was ich meine. Du bleibst noch stundenlang dabei, wenn ich schon da war … und ich muß die Zähne zusammenbeißen und stillhalten, bis du dich durch deine eigenen Anstrengungen so weit hast.»
Sie war überwältigt von diesem unerwarteten Ausbruch von Brutalität – in einem Augenblick, da sie voll unaussprechlicher Freude war und in einer Art Liebe zu ihm glühte. Schließlich war er, wie so viele Männer dieser Zeit, fertig, bevor er noch recht begonnen hatte. Und das zwang die Frauen, selber tätig zu sein.
«Aber du willst doch, daß ich weitermache und auch zu meiner Befriedigung komme?» fragte sie.
Er lachte grimmig. «Ob ich will?» sagte er. «Du bist gut! Mir macht es Spaß, mit zusammengebissenen Zähnen stillzuhalten, während du über mich herfällst!»
«Aber du willst das doch?» beharrte sie.
Er überhörte die Frage. «Diese verdammten Weiber, sie sind alle so!» sagte er. «Entweder sie kommen überhaupt nicht, als ob sie tot wären da drinnen – oder aber sie warten, bis man endgültig fertig ist, und fangen dann an, sich selber so weit zu bringen, und man muß stillhalten. Ich habe bisher noch nie eine Frau gehabt, die im selben Augenblick gekommen wäre wie ich.»
Connie hörte nur halb hin bei dieser sensationellen maskulinen Information. Sie war überwältigt von seinem gegen sie gerichteten Empfinden – von seiner unfaßlichen Brutalität. Sie fühlte sich so unschuldig.
«Aber du willst doch, daß ich auch meine Befriedigung habe?» wiederholte sie.
«Oh, bitte! Ich bin sehr dafür. Aber der Teufel soll mich holen, wenn es für den Mann ein Spaß ist, stillzuhalten und zu warten, bis die Frau endlich so weit ist …»
Diese Worte versetzten Connie einen der entscheidenden Hiebe ihres Lebens. Sie töteten etwas in ihr. Connie war nicht so wild gewesen auf Michaelis; bevor er angefangen hatte, wollte sie ihn nicht. Ihr war, als hätte sie ihn nie unbedingt gewollt. Aber da er sie nun einmal entfacht hatte, schien es ihr nur selbstverständlich, daß sie durch ihn auch zu ihrer Erfüllung kam. Fast hatte sie ihn dafür geliebt … fast liebte sie ihn in dieser Nacht und wollte ihn heiraten.
Vielleicht wußte er das instinktiv und mußte deshalb alles krachend zusammenstürzen lassen – dies Kartenhaus. Ihr gesamtes sexuelles Empfinden für ihn oder irgendeinen anderen Mann brach in dieser Nacht zusammen. Ihr Leben sonderte sich von dem seinen ab, als hätte es ihn niemals gegeben.
Und trübe ging sie durch die Tage. Es gab jetzt nichts mehr als diese leere Tretmühle dessen, was Clifford das einander ergänzende Leben nannte, das langwährende Zusammenleben zweier Menschen, die die Gewohnheit haben, im selben Haus miteinander zu wohnen.
Nichts! Das große Nichts des Lebens hinzunehmen schien der einzige Zweck des Lebens zu
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