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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
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Morgen! Es war nett von Ihnen, den Stuhl diesen Hügel hinaufzuschieben … Ich hoffe, es war nicht zu schwer für Sie», sagte Connie und sah zurück zum Waldhüter draußen vor der Tür.
    Sekundenschnell kamen seine Augen zu ihr – als sei er erwacht. Er sah sie.
    «O nein, es war nicht schwer», sagte er schnell. Dann fiel seine Stimme wieder in den breiten Dialekt: «Guten Morgen, Euer Gnaden.»
    «Wer ist dein Waldhüter?» fragte Connie beim Mittagessen.
    «Mellors! Du hast ihn doch gesehen», erwiderte Clifford.
    «Ja, aber wo kommt er her?»
    «Von nirgendwo. Er ist in Tevershall aufgewachsen … Sohn eines Bergmanns, glaube ich.»
    «Und war er auch Bergmann?»
    «Bergwerksschmied, glaube ich – Übertageschmied. Aber vor dem Krieg war er zwei Jahre lang Heger hier – bevor er einrückte. Mein Vater hat immer viel von ihm gehalten, deshalb habe ich ihn, als er zurückkam und in der Zeche wieder als Schmied arbeiten wollte, einfach hergeholt als Heger. Ich war sehr froh, ihn zu bekommen … es ist fast unmöglich, hier in der Gegend einen tauglichen Mann für den Waldhüterposten zu finden … und es mußte einer sein, der die Leute kennt.»
    «Und ist er verheiratet?»
    «Er war es. Aber seine Frau ging ihm davon mit … mit verschiedenen Männern – endgültig aber mit einem Grubenarbeiter aus Stacks Gate, und ich glaube, sie wohnt immer noch dort.»
    «Also ist der Mann allein.»
    «Mehr oder weniger. Er hat eine Mutter im Dorf – und ein Kind, glaube ich.»
    Clifford sah Connie an, mit seinen blassen, leicht vorgewölbten blauen Augen, über die sich allmählich eine gewisse Trübung zog. Äußerlich schien er munter und lebhaft, dahinter aber lag die Atmosphäre der Midlands: Dunst, rauchiger Nebel. Und der Nebel schien immer weiter vorzukriechen. Als er Connie so auf seine eigentümliche Art ansah und ihr auf diese eigentümliche Art seine präzisen Auskünfte gab, hatte sie das Gefühl, als fülle sich der Hintergrund seines Geistes mit Nebel, mit Nichts. Und das erschreckte sie. Es ließ ihn so unpersönlich erscheinen, fast schwachsinnig.
    Und verschwommen ging ihr eines der großen Gesetze der menschlichen Seele auf: wenn das Gemüt einen verwundenden Schlag erhält, der den Körper nicht tötet, scheint es wieder zu genesen, wie der Körper genest. Aber es scheint nur so. In Wirklichkeit ist es nur der Mechanismus der wiederaufgenommenen Gewohnheit. Langsam, langsam fängt die Wunde der Seele an, sich bemerkbar zu machen, wie eine Verletzung, die nur allmählich ihren furchtbaren Schmerz vertieft, bis er die ganze Psyche ausfüllt. Und wenn wir glauben, wir seien genesen und hätten vergessen – dann müssen wir es mit den schrecklichen Nachwirkungen in ihrer schlimmsten Phase aufnehmen.
    So war es mit Clifford. Als er erst einmal wieder auf Wragby war und seine Geschichten schrieb und des Lebens sicher war, trotz allem, schien er zu vergessen und seinen ungeschmälerten Gleichmut wiedergefunden zu haben. Doch jetzt, als die Jahre verstrichen, langsam, ganz langsam, fühlte Connie, wie die Wunde der Angst und des Schreckens an die Oberfläche kam und sich in ihm ausbreitete. Eine Zeitlang hatte sie so tief gelegen, daß sie nicht spürbar war – als sei sie gar nicht vorhanden. Nun fing sie allmählich an, sich geltend zu machen – Angst, fast Lähmung, breitete sich aus. Geistig war er noch immer lebendig. Doch die Lähmung, die Wunde der zu großen Erschütterung breitete sich nach und nach in seinem Gefühlsleben aus.
    Und so wie sie sich in ihm ausbreitete, fühlte Connie sie auch in sich wuchern. Inwendige Furcht, Leere, Gleichgültigkeit allem gegenüber breiteten sich in ihrer Seele aus. Wenn Clifford durch irgend etwas angeregt war, konnte er noch immer glänzende Worte finden und über die Zukunft verfügen: wie im Wald, als er davon gesprochen hatte, daß sie ein Kind haben und Wragby einen Erben schenken sollte. Doch am nächsten Tag schienen all die glänzenden Worte wie tote Blätter, die einschrumpfen und zu Staub zerfallen; sie bedeuteten nichts, jeder Windhauch trug sie davon. Es waren nicht die frischen, blattgrünen Worte eines tatkräftigen Lebens, jung, voll Energie, dem Stamm entsprossen. Es waren die unzähligen abgefallenen Blätter eines fruchtlosen Lebens.
    Überall kam es ihr so vor. Die Bergleute von Tevershall sprachen wieder von einem Streik, und es schien Connie, daß auch dies nicht ein Ausdruck von Kraft war, sondern die bislang verborgene Wunde des

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