Lady Chatterley (German Edition)
Weltall.
Connie war gebannt. Und zugleich fühlte sie die Qual ihrer eigenen weiblichen Verlassenheit so scharf und stechend wie nie zuvor. Es war nicht mehr zu ertragen.
Sie hatte nur noch eine Sehnsucht jetzt: hinaus auf die Lichtung im Wald zu gehen. Alles übrige war ein schmerzvoller Traum. Aber manchmal wurde sie von ihren Pflichten als Gastgeberin den ganzen Tag auf Wragby festgehalten. Und dann hatte sie das Gefühl, daß auch sie leer wurde, ganz leer und wahnsinnig.
Eines Abends, Gäste oder nicht, lief sie nach dem Tee davon. Es war spät, und sie floh durch den Park wie jemand, der Angst hat, zurückgerufen zu werden. Die Sonne ging rosenfarben unter, als sie an den Waldrand kam, aber sie eilte weiter, zwischen den Blumen dahin. Das Licht droben würde noch lange bleiben.
Erhitzt und nur halb bei Sinnen erreichte sie die Lichtung. Der Heger war da, in Hemdsärmeln, und verschloß gerade die Käfige zur Nacht, damit die kleinen Insassen sicher seien. Aber ein Trio trippelte noch auf winzigen Füßen unter dem Strohdach umher – muntere, graubräunliche kleine Wesen – und wollte nicht dem Gebot der ängstlichen Mutter, hereinzukommen, gehorchen.
«Ich mußte kommen und die Küken sehen!» sagte sie atemlos und streifte den Heger mit einem scheuen Blick, fast ohne ihn zu beachten. «Sind wieder welche ausgekrochen?»
«Sechsunddreißig bis jetzt», erwiderte er, «nicht schlecht.»
Auch er hatte sonderbare Freude daran, die kleinen Dinger ausschlüpfen zu sehen.
Connie kauerte sich vor dem letzten Käfig nieder. Die drei Küken waren hineingelaufen. Aber ihre frechen Köpfchen lugten noch spitz unter dem gelben Gefieder hervor, zogen sich zurück, und dann äugte nur ein einziger kleiner Perlkopf unter dem schweren Mutterleib hervor.
«Ich würde sie so gern streicheln», sagte sie und schob behutsam die Hand durch die Stäbe des Käfigs. Doch die Mutterhenne hackte wütend nach ihrer Hand, und Connie fuhr ängstlich erschrocken zurück.
«Wie sie nach mir hackt! Sie haßt mich!» sagte sie verwundert. «Ich wollte ihnen doch nichts tun.»
Der Mann stand über sie gebeugt; er lachte und hockte sich neben sie, mit gespreizten Knien, und ruhig und vertrauenerweckend schob er die Hand langsam in den Käfig hinein. Die alte Henne pickte zwar nach ihm, aber nicht so wild. Und sacht, sacht, mit sicheren, sanften Fingern, tastete er zwischen die Federn des alten Vogels und zog in der geschlossenen Hand ein leise piepsendes Küken hervor.
«Da!» sagte er und hielt ihr seine Hand hin. Sie nahm das kleine gelbbräunliche Ding in ihre Hände, und da stand es auf seinen unsagbar kleinen, staksigen Beinen, und die Winzigkeit balancierenden Lebens pulste durch die fast schwerelosen Füße in Connies Hände hinüber. Doch es hob kühn seinen hübschen, klargeformten kleinen Kopf und sah wachsam umher und stieß ein kleines «Piep» aus.
«So süß! So ohne jede Angst!» sagte sie weich.
Der Heger hockte neben ihr, und auch er beobachtete amüsiert den kühnen kleinen Vogel in ihren Händen. Plötzlich sah er, wie eine Träne auf ihr Handgelenk niederfiel.
Und er stand auf, wandte sich ab und ging zum anderen Käfig hinüber. Denn jäh wurde er sich der alten Flamme bewußt – sie schoß und züngelte in seinen Lenden empor, die Flamme, von der er gehofft hatte, sie sei jetzt still für alle Zeit. Er wehrte sich, er wandte der Frau den Rücken. Doch die Flamme züngelte, züngelte abwärts, kreiste in seinen Knien.
Er kehrte sich ihr wieder zu und sah sie an. Sie kniete und streckte langsam, blind ihre Hände aus, damit das Küken wieder zur Mutter hineinschlüpfen könne. Und es war etwas so Stilles und Einsames um sie, daß sein Innerstes brannte vor Mitleid.
Ohne es zu wissen, ging er schnell zu ihr hin, kniete sich wieder neben sie und nahm ihr das Küken aus der Hand, weil sie Angst vor der Henne hatte, und setzte es in den Käfig zurück. Das Feuer tief in seinen Lenden flammte plötzlich heftiger.
Besorgt sah er sie an. Ihr Gesicht war abgewandt, und sie weinte blind in all der Qual der Verlorenheit ihrer Generation. Sein Herz schmolz plötzlich wie ein Tropfen im Feuer, und er streckte die Hand aus und legte sie auf ihr Knie.
«Sie dürfen nicht weinen», sagte er weich.
Doch sie schlug die Hände vors Gesicht, und ihr war, als sei wirklich ihr Herz gebrochen, und alles war jetzt gleichgültig.
Er legte ihr die Hand auf die Schulter, und sanft, zärtlich wanderte sie die Wölbung ihres
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