Lady Chesterfields Versuchung
erblasste.
„Behalten Sie solche Theorien für sich, Lady Hannah.“
„Das ist nicht Ihr Ernst!“, stieß sie ungläubig hervor.
„Ich habe Augen im Kopf, Lady Hannah. Jeder aus dem Hause Lohenberg, der den Lieutenant zu Gesicht bekommt, wird dasselbe sehen wie ich. Er ähnelt Fürst Georg so sehr, dass er sein Sohn sein könnte.“
„Sie haben keinen Beweis für seine Herkunft.“
„Nein. Aber ich beabsichtige, die Wahrheit herauszufinden.“ Von Reischor lehnte sich gegen das Treppengeländer. „Sie müssen wissen, dass jeder Kontakt zu ihm Risiken für Sie bergen könnte.“
„Ich gebe ihm seine Uhr zurück, mehr nicht. Meiner Meinung nach besteht kein Grund zur Sorge.“
Als sie weiterging, hörte sie, wie der Graf leise antwortete. „Er hat Feinde, die Sie sich nicht einmal im Traum vorzustellen vermögen.“
Michael steckte Lady Hannahs Taschentuch ein und fragte sich, ob er es wagen konnte, an Deck zu gehen. Es herrschte noch immer hoher Seegang, und trotz der starken Dampfmaschine und des Schaufelrades schlingerte das Schiff bisweilen heftig.
Doch da er das Gefühl hatte, frische Luft und ein wenig Abkühlung zu brauchen, betrat er schließlich das Oberdeck der Orpheus . Der Wind heulte in der Takelage, und die Segel knatterten im stürmischen Wind.
Das Pfänderspiel hatte eine Entwicklung genommen, die ihm mehr als unangenehm gewesen war. Es hatte ihn wütend gemacht, dass regelrecht um ihn gefeilscht wurde. Und Lord Brentford hatte ihm die Hand seiner Tochter geradezu aufgedrängt. Es stand für Michael außer Zweifel, dass Miss Nelson ihn um einen Kuss gebeten hätte, wäre sie als Siegerin aus der Auktion hervorgegangen. Selbstverständlich hätte er sich geweigert, ihrem Ansinnen Folge zu leisten, aber er hasste es, wenn Menschen Forderungen an ihn stellten, die er nicht erfüllen konnte.
Dann hatte Lady Hannah eingegriffen und mit ihrem Gebot sichergestellt, dass er unbehelligt blieb. Sie war den Frauen entgegengetreten und hatte ihn davor bewahrt, sich vor aller Augen zum Narren machen zu müssen.
Unter den Mitspielern am heutigen Abend gab es nicht einen Mann, der sich nicht gewünscht hätte, dass Lady Hannah sein Pfand ersteigerte. Schon allein bei dem Gedanken, dass ein anderer sie berühren könnte, biss Michael vor Wut die Zähne zusammen.
Sie gehört dir nicht – und wird dir niemals gehören.
Das wusste er. Und er wusste auch, dass er besser die Finger von ihr ließ. Sie war eine Kostbarkeit, ein Diamant, der eine angemessene Fassung verdiente, damit er seine ganze funkelnde Pracht entfalten konnte.
Aber er war kein Heiliger. Er begehrte sie und wusste genau, wie er ihrem Körper huldigen würde. Er wollte ihre Haut schmecken, sie mit seinem Mund verwöhnen, bis sie vor Wonne aufschrie.
Was tat es dann zur Sache, ob ein anderer Mann auf Lady Hannahs Taschentuch bot? Sie verdiente die Chance auf eine gute Ehe. Sicherlich hatten die Gentlemen an Bord dieses Schiffes keine Ahnung von dem Skandal.
So lange war sie in dem Kokon gefangen gewesen, den die Liebe ihrer Eltern um sie gesponnen hatte. Jetzt bot sich ihr endlich die Chance, die Freiheit zu erlangen. Und er war ein selbstsüchtiger Bastard, wenn er sich wünschte, dass sie sich ihm hingab.
Michael umfasste die Reling und sah auf das dunkle Wasser hinaus. Was hatte sie an sich, dass er sich wie magisch von ihr angezogen fühlte? Sie war so ganz anders als die Frauen, die er in seiner Armeezeit kennengelernt hatte. Und mit ihrem freundlichen Wesen, ihrer guten Herkunft und ihrer Schönheit gehörte sie an die Seite eines englischen Aristokraten, der in einem separaten Schlafzimmer nächtigte und ihr die Haushaltsführung und die Planung von Gesellschaften überließ.
Sie gehörte nicht an die Seite eines Mannes seiner Sorte, der seinen niederen Trieben folgte und mit Zartgefühl nicht viel im Sinn hatte.
Sein lächerliches Gebot über tausend Pfund war keineswegs als Spende für wohltätige Zwecke gedacht gewesen – sondern als Warnung an die anderen Männer, sich von Lady Hannah fernzuhalten. Weil sie es sonst bereuen würden. Wie ein Tier, das sein Revier markierte, hatte er seinen Besitzanspruch auf Lady Hannah geltend machen wollen.
Doch was sollte er jetzt tun?
Plötzlich hörte er Schritte hinter sich. Er war sicher, dass es Lady Hannah sein würde, und wartete, ohne sich umzudrehen, dass sie im nächsten Moment neben ihm auftauchen würde.
Stattdessen warf ihm jemand einen Strick um den Hals und zog
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