Lady Chesterfields Versuchung
ich habe es nicht gewagt, ihm zu schreiben, aus Furcht, dass man mich dann ausfindig machen würde.“
Es schien sie zu erleichtern, ihm endlich ihr Geheimnis anzuvertrauen. Michael hingegen spürte, wie das Gewicht, das auf seinen Schultern zu lasten schien, immer schwerer wurde. Er wollte kein Leben als Mitglied des Fürstenhauses, wollte mit den Problemen, die damit einhergingen nichts zu tun haben.
„Ich habe meine letzten Ersparnisse darauf verwendet, dich von Malta nach London bringen zu lassen, nachdem ich von deiner Verwundung erfuhr“, gestand sie leise. „Ich hatte gehofft, dass ihr beide, du und Henry, zurückkehren würdet.“
Sie schluchzte auf, und Michael umarmte sie tröstend. Abigail Turners Geständnis machte es ihm unmöglich, sich noch länger der Wahrheit zu verschließen. Er würde sich dem unrechtmäßigen Prinzen ebenso wie dem Fürsten und der Fürstin stellen müssen. Der Himmel mochte ihm beistehen.
Mrs Tuner lehnte den Kopf an seine Schulter und tätschelte ihm den Rücken. „Es tut mir leid, dass ich dir das alles verschwiegen habe, Michael. Ich war überzeugt, dass ich dein Leben nur retten kann, wenn ich das Geheimnis bewahre.“
Ohne es auszusprechen, bat sie ihn um Vergebung, doch im Augenblick war er kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Er drückte sie geistesabwesend, bis sie sich aus seiner Umarmung befreite und sich entschlossen straffte.
„Morgen früh gehe ich zu Fürstin Anna und erzähle ihr alles.“
Er wusste nicht, ob das wirklich eine gute Idee war. „Man hat uns untersagt, der Fürstin einen Besuch abzustatten. Ich glaube nicht …“
„Ich war über fünf Jahre ihre Hofdame. Die Fürstin wird mich empfangen.“
„Nicht, wenn sie glaubt, dass Sie ihren Sohn entführt haben.“
Mrs Turner zuckte zusammen, als habe Michael sie ins Gesicht geschlagen. Er bereute seine harschen Worte, aber er musste unbedingt verhindern, dass sie Kontakt zum Fürstenhof aufnahm, wenn sie nicht im Kerker landen und vielleicht sogar ihr Leben aufs Spiel setzen wollte.
„Wenn Sie mit ihr sprechen, müssen Sie damit rechnen, dass man Sie bestraft. Die Verschwörer, die damals Ihren Ehemann als Geisel nahmen, werden es herausfinden. Sie wissen bereits, dass ich noch am Leben bin, und das Risiko für Sie wäre zu groß.“
„Ich muss Wiedergutmachung leisten für das, was ich getan habe. Ich muss dich zurückbringen zu ihr, damit sie weiß, dass ich sie nie betrügen wollte.“
„Alles zu seiner Zeit. Vorher will ich mit ihr sprechen.“ Entschlossen verschränkte er die Arme vor der Brust. „Doch selbst wenn sie mich empfängt, heißt das noch lange nicht, dass sie meinen Worten auch Glauben schenkt. Es gibt keinen Beweis für meine Behauptung, ihr Sohn zu sein – außer vielleicht meine Ähnlichkeit mit dem Fürsten.“
Plötzlich erhellte ein Lächeln Mrs Turners Gesicht. „Da täuschst du dich, mein Junge. Es gibt einen Beweis, dass du der Prinz bist.“
Sie deutete auf sein linkes Bein. „Du hast eine Narbe an der Wade.“
Zwar hatte Michael die Narbe schon früher bemerkt, aber er konnte sich nicht erinnern, wie er dazu gekommen war.
„Als du ungefähr zwei warst, wolltest du auf jeden Stuhl klettern, dessen du habhaft werden konntest, egal wie sehr dein Kindermädchen versuchte, dich davon abzuhalten. Eines Tages bist du rückwärts von einem Stuhl heruntergestürzt und hast dich an einem deiner Spielzeuge am Bein verletzt. Die Wunde war nicht groß, aber tief, und du hast geschrien wie am Spieß, als deine Mutter dich festhielt, damit der Arzt sie nähen konnte. Nur ein paar wenige Menschen wissen davon.“ Mrs Turner nickte ernst. „Du wirst deinen Thron zurückbekommen, Michael Thorpe, das schwöre ich dir.“
Die nächsten Stunden verbrachte Michael damit, in seinem Zimmer auf und ab zu gehen. Da er seine Herkunft nicht länger leugnen konnte, musste er sich entscheiden, ob er sein verlorenes Fürstentum zurückfordern wollte.
Achtlos streifte er eine Hose und ein Hemd über und verschwendete keine Zeit darauf, auch noch eine Weste herauszusuchen. Auf Zehenspitzen schlich er aus dem Zimmer, den Flur entlang zur Treppe. Obwohl das Jagdschloss des Grafen nicht groß war, ließ es an Annehmlichkeiten nichts zu wünschen übrig.
Michael hatte keine Ahnung, was ihn schließlich dazu bewog, zu Hannahs Zimmer zu gehen. Vielleicht hoffte er insgeheim, an ihrer Seite zur Ruhe kommen zu können.
Der Graf hatte ihr ein Schlafgemach auf der
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