Lady Daphnes Verehrer
versteht es sich von selbst, dass er sich an dem Versuch die Zähne ausbeißen würde, ausgerechnet dich zu verführen.«
»Ich weiß dein Vertrauen in mich zu schätzen.«
»Nun, ich denke, ich kenne dich am besten, Daphne. Ich war mir sicher, dass ich recht habe und sie nicht.« Sie griff in ihr Mieder. »Jedenfalls, bis ich diese hier gefunden habe.«
Sie öffnete die Hand und brachte ein Paar Diamantohrringe zum Vorschein.
Als Daphne sie sprachlos anstarrte, begann Audrianna schallend zu lachen.
»Du machst einen zerstreuten Eindruck, Summerhays. Es scheint mir aber nicht daran zu liegen, dass du dir über die Folgen von Peterloo Gedanken machst.«
»Ach, diese Katastrophe kann ein paar Tage warten. Sie wird so bald nicht verschwinden.«
Sie saßen in der Bibliothek und genossen einen ausgezeichneten Portwein. Castleford fiel einmal mehr auf, dass es ihm, wenn er dieser Tage trank, viel besser schmeckte als früher. Ein bisschen Abstinenz schien seinen Sinnen durchaus förderlich zu sein.
In Bezug auf das Bett war es offenbar ähnlich. Er hatte immer angenommen, Enthaltsamkeit sei der männlichen Leistungsfähigkeit nicht zuträglich, aber seine Erfahrungen bewiesen das Gegenteil.
»Wenn ich zerstreut bin, dann liegt es vermutlich an Familienangelegenheiten. Audriannas bevorstehende Niederkunft reicht schon aus, um mich verrückt zu machen, und nun auch noch mein Bruder …« Summerhays schüttelte den Kopf und lachte.
»Du hast wohl nicht viel für seine Frau übrig. Ist sie womöglich eine Abenteurerin?«
»Du hältst einfach nichts von der Ehe, nicht wahr? Eigentlich habe ich mir noch gar keine Meinung über sie gebildet. Ich habe sie ja gerade erst kennengelernt. Aber er liebt sie sehr, und das ist für mich das Wichtigste. Nein, ich denke vielmehr daran, wo er in diesem Moment ist und wie die andere Frau in seinem Leben reagieren wird.«
Er bezog sich auf seine Mutter. Summerhays war in dieses Haus gezogen, als sein Bruder mit Verletzungen aus dem Krieg zurückkehrte, die man für irreparabel gehalten hatte. Er hatte den Platz seines Bruders eingenommen und den Marquis vor der herrischen Mutter beschützt, die ihn sonst wie ein Kind behandelt hätte.
Das alles hatte letztlich zu einem jähen Ende der feuchtfröhlichen Partnerschaft von Castleford und Summerhays geführt, worüber sich Castleford noch lange geärgert hatte.
»Ich nehme an, es kommt zu Szenen, die komisch und tragisch zugleich sind«, sagte er.
»Genau! Ich habe mir das Gesicht meiner Mutter, wenn mein Bruder eintrifft und ihr seine Frau vorstellt, so oft vorgestellt, dass …« Summerhays grinste. »Teufel, ich weiß nicht, ob ich froh sein soll, dass ich es nicht mit ansehen muss, oder betrübt, weil ich dieses Theater verpasse.«
Castleford riss die Augen weit auf und trug eine schockierte Miene zur Schau, um die Reaktion der Mutter zu parodieren. Summerhays musste so lachen, dass ihm die Tränen kamen.
»Ich frage mich natürlich auch«, sagte er, nachdem er sich wieder beruhigt hatte, »ob diese Joanna ihr gleich Paroli bieten wird. Und ob er es auch tut.«
»Allem Anschein nach steht dein Bruder wieder auf eigenen Füßen, im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinne. Wenn er sich auf jemanden stützen muss, hat er jetzt seine Frau. Deine Arbeit ist getan, Summerhays. Nun ist er wieder für die Familienehre verantwortlich. Aber du hast immer noch genug Einfluss im Unterhaus. Du kannst weiterhin Wohlstand, Macht und Privilegien genießen, doch die langweilige Seite des Lebens als Marquis bleibt dir erspart. Ich würde sagen, du hast eine glänzende Zukunft vor dir.«
»Das denke ich auch. Es ist ebenso beruhigend wie das Wissen, dass seine Zeit bei uns nicht zu kurz sein wird.«
Castleford streckte die Beine aus. »Dir ist hoffentlich klar, dass du dich nun endlich wieder amüsieren kannst. Und es besteht auch kein Grund mehr zu übertriebener Diskretion. Teufel, es kann wieder werden wie früher, als wir Seite an Seite …«
»Ich befürchte, wenn wir wieder zusammen losziehen, erschießt mich Audrianna.«
»Ja, wahrscheinlich.« Er griff zu seinem Weinglas. »Verdammt!«
Sie tranken zusammen wie in den alten Zeiten und schwiegen einträchtig. Nach einer Weile sah Summerhays ihn an und in seinen Augen glomm das Funkeln von früher auf.
»Und?«, fragte er.
»Und
was
?«
»Hawkeswell hat mir geschrieben. Mehrmals. Er konnte es nicht ertragen, dass ich nicht da war. Eine Woche, maximal zehn Tage, hast du ihm
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