Lady Daphnes Verehrer
gesprochen hatte, hätte sie es so stehen lassen sollen. Sie sollte akzeptieren, dass dieses Spiel vorbei war. Doch das konnte sie nicht, so sehr sie sich auch bemühte. Schon sein körperlicher Rückzug schmerzte mehr, als sie es je für möglich gehalten hätte, und offenbar zog er sich, während sie sich über ihre Kissen hinweg ansahen, auch innerlich zurück.
»Es ist ja nicht so weit weg«, sagte er und richtete den Blick an die Decke. »Sie werden allerdings hierherkommen müssen, wenn Sie nicht wollen, dass ich meine Besitzrechte einfordere, während diese Frauen in Ihrem Haus weilen.«
Dann verließ er das Bett, um sich in seinen Gemächern zu waschen und für den Besuch bei Audrianna und Sebastian anzukleiden.
Kurz darauf erschien ein Mädchen mit Wasser, das er ihr heraufgeschickt hatte. Sie machte sich ebenfalls zurecht, während sie traurigen Gedanken nachhing.
Vielleicht würde sie tatsächlich noch ein, zwei Mal wiederkommen, aber irgendwann würde es vorbei sein. Selbst wenn er ihrer nicht überdrüssig wurde, würde sie wohl schon bald nur noch die anderen beiden Castlefords zu sehen bekommen, wie tief sie ihm auch in die Augen schaute. Und eines Tages würde er sie schließlich doch als langweilig und lästig empfinden und nicht mehr der Mühe wert.
Audrianna schien unmittelbar vor der Niederkunft zu stehen. Mit ihrem prallen Bauch hatte sie es sich auf der Chaiselongue so bequem gemacht, wie es eben ging. Doch Daphne entging nicht das Funkeln in ihren grünen Augen, das verriet, dass sie der Besuch durchaus von ihrem körperlichen Unbehagen ablenkte.
Castleford und Summerhays diskutierten die Ereignisse in Manchester mit einiger Besorgnis und fluchten dabei mehr als ein Mal leise vor sich hin. In den Zeitungen standen entsetzliche Berichte über die Katastrophe, die sich auf dem St. Peter’s Field ereignet hatte und von regierungskritischen Leuten inzwischen »Peterloo-Massaker« genannt wurde. Ein Autor der
Times
war während des Aufruhrs festgenommen worden, und niemand rechnete damit, dass seine Geschichte die Behörden entlastete.
»Mindestens hundert Tote«, sagte Summerhays. »Und vielleicht werden es noch mehr, wenn noch Demonstranten ihren Verletzungen erliegen. Das alles war ein großer Fehler.«
»Ich bezweifle, dass dir viele Adelige des Oberhauses zustimmen werden. Nur im Unterhaus wird man objektiv darüber beraten«, sagte Castleford. »Aber lass uns morgen weiter darüber sprechen. Dann bitten wir Hawkeswell und ein paar andere hinzu, die noch bei klarem Verstand sind. Wir wollen die Damen doch jetzt nicht mit so etwas langweilen.«
Summerhays sah ihn belustigt an. »Ganz gewiss nicht. Gut, dass du hier bist, um mich zu ermahnen. Wie jeder weiß, sind dir nette Plaudereien sehr viel lieber als Diskussionen über wichtige Ereignisse.«
»Ich wollte nur vermeiden, dass wir deine entzückende Frau vernachlässigen, die so freundlich war, uns trotz ihres Zustands zu empfangen.«
»Oh, diese Unterhaltung hätte ich mir unter keinen Umständen entgehen lassen wollen«, sagte Audrianna. Sie strahlte Castleford an und warf Daphne einen verstohlenen Blick zu. »Ich weiß doch, wie selten Sie private Besuche machen, Hoheit. Ich fühle mich geehrt.« Dann sah sie Daphne abermals an und versuchte ihre grenzenlose Neugier zu überspielen, indem sie ihre kastanienbraunen Locken richtete.
»Ich hatte wirklich Glück, dass Seine Hoheit ebenfalls nach Norden gereist ist«, sagte Daphne.
»Großes Glück«, pflichtete Audrianna ihr bei.
»Es war sehr beruhigend, die Region in seiner Begleitung verlassen zu können. Die Lage auf den Straßen war denkbar unsicher.«
»Vielen Dank, dass Sie meine Cousine beschützt haben.«
Daphne befürchtete, Audrianna würde jeden Moment zu kichern beginnen, wenn man sie nicht rasch von ihrer Begeisterung dafür ablenkte, dass ihre beiden Gäste zusammen eine Reise gemacht hatten.
»Lord Sebastian, wie geht es Ihrem Bruder? Werden wir ihn heute Abend vielleicht sehen?«, fragte sie in der Hoffnung, Audrianna auf andere Gedanken zu bringen.
»Er ist aufs Land gefahren, um unsere Mutter zu besuchen. Es kann ein paar Tage dauern, bis er wiederkommt.«
»Aber es geht ihm sehr gut«, sagte Audrianna. »Er kann wieder gehen. Als Sebastian es sah, dachte ich, er fängt vor Freude an zu weinen.«
»Ich war natürlich überglücklich, Liebling, aber ich war weit davon entfernt zu weinen.« Sebastian bedachte sie mit einem tadelnden, jedoch gutmütigen
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