Lady Daphnes Verehrer
irgendwohin hätte fliehen können. Sie spürte Castlefords Nähe und seinen Blick und stellte mit Besorgnis fest, welche Empfindungen er in ihr weckte.
»Ich habe etwas für Sie«, sagte er. »Ein kleines Geschenk.«
Sie sah ihn überrascht an. »Ich glaube nicht …«
»Pst!« Er ergriff ihre Hand und ließ etwas hineinfallen. Es erstrahlte im Kerzenlicht, als wäre ein neuer Stern geboren.
Er hatte ihr einen Diamanten geschenkt! Einen ziemlich großen.
»Von höchster Reinheit, wie Sie verlangt haben«, sagte er.
»Ich habe gar nichts …« Sie verstummte. Sie musste den Stein einfach nehmen und ins Licht halten. Die Reinheit war tatsächlich erstaunlich. Doch so sehr er auch leuchtete und funkelte, die Wärme von Castlefords Hand, die ihre noch immer festhielt, nahm sie viel mehr gefangen.
Die Berührung fühlte sich so gut an, so intim und menschlich. Sie hätte ihm ihre Hand entziehen sollen, aber das tat sie nicht. Wie er sie vorsichtig, aber entschlossen hielt, hatte etwas Fürsorgliches. Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn sie ihre Hand drehte, sodass Handteller an Handteller lag?
Sie legte den Diamanten auf den Tisch. Die tanzende Kerzenflamme ließ seine Oberfläche glitzern. »Ich kann ihn nicht annehmen. Sie wissen, dass ich es nicht kann.«
Er griff mit der freien Hand nach dem Stein. Durch die Bewegung kam er ihr etwas näher. Beinahe geistesabwesend drehte er den Diamanten in seinen langen Fingern und betrachtete ihn. Sie richtete ebenfalls den Blick darauf und hielt die Augen sorgsam von seinem Gesicht abgewandt.
»Wovor haben Sie Angst, Mrs Joyes? Wenn ich Sie kaufen wollte, könnte ich Ihnen etwas Besseres bieten.«
An diesem Abend entzückten sie seine Andeutungen, statt sie zu verärgern. Auch das lag zweifelsohne an dem Wein.
Er rückte noch etwas näher. »Fürchten Sie Klatsch und Tratsch? Ich denke nicht. Sie sind viel zu unerschütterlich, um sich allzu große Sorgen darum zu machen, und sie sind zu diskret, um dem Geschwätz der Leute zum Opfer zu fallen.«
»Ich fürchte Klatsch und Tratsch nicht mehr so sehr wie früher. Als ich jung war, habe ich große Angst davor gehabt. Aber die Reife lässt einen solche Dinge aus einem neuen Blickwinkel sehen.«
»Wovor haben Sie dann Angst?«
»Tun Sie nicht so, als wüssten Sie es nicht.«
»Vor einer Woche hätte ich gesagt, Sie haben Angst vor mir, aber jetzt frage ich mich, ob Sie nicht vor sich selbst Angst haben.«
Sie wagte nicht, ihn anzusehen, weil er ihr ihre Überraschung anmerken würde. Und er war ihr auch viel zu nah; so nah, dass sein Atem ihr Ohr streifte. Er drehte ihre Hand um und verschränkte seine Finger mit ihren.
Ihr Atem geriet unversehens ins Stocken. Sie hätte am liebsten die Augen geschlossen und die herrlichen Regungen in ihrem Inneren genossen.
»Ich habe keine Angst vor Ihnen.« Keine richtige. Nicht in dem Sinne, dass er ihr körperlichen Schaden zufügen könnte.
In diesem Moment unter dem freien Sternenhimmel, in der heiteren und romantischen Atmosphäre des Abends, schienen ihr die vielen Gründe, die es dafür gab, ihm zu widerstehen, in eine ganz andere, weit entfernte Welt zu gehören.
»Vielleicht haben Sie ja Angst vor der Lust und davor, Ihre sorgsam gehütete Beherrschung zu verlieren.« Das Flüstern an ihrem Ohr war so leise, dass sie fast glaubte, es wären ihre eigenen Gedanken. Sein Atem, ihrem Ohr so nah, betörte sie zusehends.
Und das Schiff fuhr immer noch hin und her. Das würde es tun, bis er etwas anderes befahl. Und vorher würden ihre Freunde auch nicht zurückkehren. Sie würden sich weiter ihrem Eheglück hingeben, berauscht vom Wein und den Sternen und ihrer Liebe, bis das Boot sich drehte, um flussaufwärts zu fahren.
Das tiefe sinnliche Pulsieren in ihrem Inneren hielt sie davon ab, sich zur Ordnung zu rufen. Stattdessen kam ihr unvermittelt ein ganz neuer Gedanke: dass er das Interesse verlieren würde, sobald er sein Spiel gewonnen hatte, und es daher vielleicht gar nicht so töricht war, sich ihm hinzugeben. Dass ihr Widerstand ihn nur noch mehr anspornte. Vor allem aber schwächte eine quälende Sehnsucht ihre Entschlusskraft, und sie wusste eigentlich gar nicht mehr, warum sie sich ihm verweigern sollte.
Nun hauchte er einen Kuss auf ihre Hand. Es war nur eine winzige Berührung, aber sie erschütterte sie bis ins Mark. Dann folgte ein Kuss auf ihre Schulter und ihr Tuch flatterte zu Boden, bevor ein weiterer glühend heißer Kuss ihre Haut versengte. Er
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