Lady Daphnes Verehrer
sie ihre Bürsten und Kämme vom Frisiertisch räumte. Sie nahm sich zusammen und versuchte, gebieterisch zu klingen.
»Ich werde eine kurze mehrtägige Reise unternehmen. Bitte lassen Sie die Kutsche vorbereiten und herbringen.«
Der Diener schaute sie überrascht an. Sie hoffte, er würde nicht um einen Beweis dafür bitten, dass sie Lord Sebastians Erlaubnis hatte, die Kutsche zu benutzen, denn die hatte sie nicht. Aber wenn Sebastian und Audrianna wüssten, was auf dem Spiel stand, würden sie ihr sicher keine Steine in den Weg legen.
»Darf ich fragen, wie viele Tage, Mrs Joyes? Der Kutscher wird es wissen wollen.«
»Eine Woche, schätze ich.«
Seine Augenbrauen gingen leicht in die Höhe. »Brauchen Sie Begleitung?«
Sie hätte wahrscheinlich jemanden mitnehmen sollen, auch wenn es ihr nur Unannehmlichkeiten bereitete. »Der Kutscher genügt.«
»Ich werde den zweiten Butler fragen, Mrs Joyes.«
Er ging, und sie packte weiter. Falls man ihr die Kutsche verweigerte, musste sie eben die Postkutsche nehmen.
Sie öffnete die Schublade des Frisiertischs und hielt inne, als ihr Blick auf die Ohrringe fiel, die Castleford ihr geschenkt hatte.
Sie hielt sie an ihre Ohren und beugte sich vor, um sich im Spiegel zu betrachten. Sie hätte gern gewusst, was er wirklich gedacht hatte, als sie sie auf diesem Sultansbett getragen hatte. Dass sie die teuerste Mätresse war, die er je gehabt hatte? Dass sie sein Verlangen schürte, um ihn zu quälen oder um solche Geschenke zu erhalten? Dass es dumm von ihr gewesen war, sich Becksbridge für weniger hinzugeben?
Er hatte sich allerdings nicht so verhalten, als hätte er solche Gedanken gehabt. Oh, er spielte das Spiel der Verführung, das war nicht zu leugnen, aber inzwischen hatte er dabei erstaunlicherweise schon zweimal Anstand bewiesen.
Seine Fragen über ihre vermeintliche Ehe gingen ihr durch den Kopf. Sie war davon überzeugt, dass er die Sache nicht auf sich beruhen lassen würde, selbst wenn sie sich von ihm verführen ließ. Sie musste aus London verschwinden und letztlich auch aus seinen Gedanken. Castleford war nicht gerade für Beständigkeit bekannt, und eine Woche sollte sein Interesse abflauen lassen.
Sie ging an den kleinen Schreibtisch und tauchte den Federhalter in die Tinte. Sie schrieb jedoch nicht an Castleford, sondern verfasste eine Nachricht für Lord Sebastian und Audrianna, um sie zu der Schmuckschatulle in die Schublade zu legen. Sie bat die beiden, die Ohrringe in Verwahrung zu nehmen, falls sie vor ihr zurückkehrten und zufällig auf sie stießen. Nach ihrer Reise würde sie sie ihrem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben.
15
Zwei Tage später gab sich Castleford große Mühe, um das letzte Kapitel von »Die Verführung der Daphne Joyes« neu zu planen – wohl wissend, dass er inzwischen schon längst beim Nachwort angelangt sein müsste.
Er kümmerte sich höchstpersönlich um die Vorbereitungen.
Zunächst suchte er wieder den Juwelier auf. Phillip hätte ihm beinahe die Füße geküsst, als er den Laden abermals mit einer kleinen Schmuckschatulle in der Hand verließ.
Anschließend machte er bei einem Blumengeschäft halt und wählte die Blumen aus, die zu ihm nach Hause geliefert werden sollten.
Als Nächstes traf er sich mit einem berühmten Musiker, spendierte ihm einen sehr teuren Wein und bot ihm nach einer kurzen Unterhaltung einen irrsinnig hohen Geldbetrag dafür an, dass er am Abend auf seiner Terrasse spielte.
Bevor er in die Park Lane ritt, um Daphne aus dem Haus zu locken, schaute er noch in seinem Club vorbei. Er musste kurz in die Bibliothek, um eine Mitteilung zu schreiben.
Schon als er reinkam, grüßten ihn jedoch drei Männer, die am Fenster zusammensaßen. Sie riefen ihn zu sich wie alte Freunde, die ihn schon allzu lange nicht mehr gesehen hatten.
Es waren Sir Marcus Valmare, sein Sohn Cato Valmare und Mr Jeoffrey Drumblewhite. Letzterer war ein Gentleman aus Hampshire, der inzwischen über das akzeptable Maß hinaus Handel trieb. Sein kaufmännisches Interesse hatte sich in den letzten Jahren dermaßen ausgeweitet, dass davon die Rede war, ihm aus diesem Grund die Club-Mitgliedschaft zu kündigen.
»Castleford, Sie sehen gut aus!«, sagte Sir Marcus so laut, als spräche er mit einem alten, tauben Onkel. Er war ein bulliger, großer Kerl mit einem roten Gesicht und dichtem, gewelltem weißem Haar, das er extra so lang zu tragen schien, um seine kahl werdenden Altersgenossen zu ärgern. »Sieht er nicht
Weitere Kostenlose Bücher