Lady Daphnes Verehrer
festgestellt hat, dass Sie ihm eine seiner Kutschen und einen Kutscher entwendet haben.«
»Ich werde ihm schreiben und ihm die Sache kurz erklären, und wenn ich wieder in der Stadt bin, folgt selbstverständlich eine ausführliche Erklärung.«
»Zumindest eine kurze Erklärung hätte ich jetzt auch gern von Ihnen. Was machen Sie hier?«
»Ich bin nicht dazu verpflichtet, Ihnen irgendetwas zu erklären. Es sind nicht Ihre Kutsche und Ihr Bediensteter. Ich denke vielmehr, Sie sind mir eine Erklärung schuldig. Was machen
Sie
hier?«
»Ich bin Ihnen gefolgt. Haben Sie etwa nicht damit gerechnet?«
»Natürlich habe ich nicht damit gerechnet. Sie hatten keinen Grund dazu.«
»Das ist nicht wahr.«
»Oh, verzeihen Sie mir. Sie haben recht – wie konnte ich nur so töricht sein? Der berüchtigte verruchte Schurke hat sein Verführungsspiel noch nicht beendet. Nun, ich hatte nicht erwartet, dass Sie durch das ganze Reich reisen, um Ihren Willen durchzusetzen. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie sich ans Ende der Welt begeben, um eine Frau zu bekommen, die Ihnen aufgefallen ist und es gewagt hat, sich Ihnen zu entziehen.«
»Ich muss mir nicht jede Frau zu Willen machen, die mir auffällt, Daphne. Nur Sie.«
Ihre Entrüstung schwand, als er das sagte. Doch in das Gefühlswirrwarr, dem sie wich, mischte sich ein tiefer Schmerz. Oh Hoheit, dachte sie, keiner von uns weiß wirklich, was der andere ihm ist.
»Wie haben Sie mich überhaupt gefunden?« Sie hatte Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie zusehends dahinschmolz. Sie hatte diese Sache gründlich vermasselt und würde nun teuer dafür bezahlen; mit ihrem Herzen, wenn nicht gar mir ihrer Intimsphäre.
»Ich habe Miss Johnson gefragt, wohin Sie gefahren sind. Als sie mir den Namen des Dorfes nannte, haben ich mir den Rest zusammengereimt.«
Sie wagte nicht, zu antworten. Sie wollte nicht mutmaßen, was er mit dem »Rest« meinte.
Seine dunklen Augen ließen sie im Unklaren, aber vielleicht wartete er auch darauf, es aus ihrem Mund zu hören.
Er zog einige Papiere aus seiner Jackentasche und gab sie ihr. Es handelte sich, wie sie feststellte, um vier zerknitterte Seiten aus einem Landkartenbuch mit Markierungen und Hinweisen. Sie sah, dass ihn eine davon zu The Rarest Blooms geführt hatte, und auf einer anderen war die Lage von Margarets Cottage eingezeichnet.
»Ich habe mir gedacht, dass die Pächterin von einem dieser Besitztümer, die ich geerbt habe, die Pächterin eines anderen besuchen gefahren ist«, sagte er. »Sie hatten sich einmal nach den anderen Liegenschaften erkundigt. Zuerst vermutete ich, Sie seien hergereist, um Nachforschungen anzustellen, aber jetzt weiß ich, dass Sie hier gelebt haben, nachdem Sie Becksbridges Haus verlassen hatten – in den Jahren, in denen Sie angeblich verheiratet waren und Ihrem Mann in den Krieg gefolgt sind.«
»Dann wissen Sie bereits genug, meine ich.«
Er nahm ihr die Karten aus der Hand und steckte sie wieder in die Tasche. »Aber nicht, warum Sie ausgerechnet jetzt hergekommen sind, in einer Zeit voller Gefahren. Sie sind schließlich nicht dumm.«
»Vielleicht bin ich ja hergekommen, weil ich dachte, hier finden Sie mich nicht.«
Sie bekam ein schlechtes Gewissen, kaum dass sie es gesagt hatte, obwohl er nicht gekränkt zu sein schien. Sie beschloss, noch etwas hinzuzufügen, damit er endlich aufhörte, sie in die Zange zu nehmen. »Ich habe mir um meine Freundin Sorgen gemacht. Eben wegen der Gefahren. Und ich dachte, dass sie nach Becksbridges Tod vielleicht ebenso beunruhigt wegen ihrer ungewissen Zukunft sein könnte, wie ich es war. Also bin ich hergefahren, um sie zu beruhigen und sie, falls es mir nicht gelingt, nach Cumberworth mitzunehmen.«
Er hatte eine nachdenkliche Miene aufgesetzt.
»Ist das Verhör damit beendet?«, fragte sie.
Er blickte sie an und in seinen Augen sah sie mehr Aufrichtigkeit und Freundlichkeit als je zuvor.
»Ich würde sagen, das genügt mir, Daphne. Vorerst.«
Margaret lud Castleford höflich ein, das Mittagsmahl mit ihnen gemeinsam einzunehmen. Zu Daphnes Entsetzen nahm er die Einladung an.
Sie aßen in dem kleinen Speisezimmer von Porzellantellern, die nicht zusammenpassten. Wie Daphne inzwischen bewusst geworden war, hatte es durchaus eine Rolle gespielt, dass sie die Tochter eines Edelmanns war. Mrs Joyes hatte in den vergangenen Jahren ein besseres Leben gehabt als Mrs Rolland. Becksbridge hatte jeder nur so viel gegeben, wie ihr seiner Meinung nach
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