Lady in Rot (German Edition)
erkundigte er sich. „Oder trinken?“
Laura blickte von ihrem Buch auf. Ob ihm aufgefallen war, welche Mühe sie hatte, sich in seiner Gegenwart zu konzentrieren? Sie las dieselben Sätze immer wieder, ohne den Sinn zu begreifen. „Nein, danke. Ich bin nicht hungrig.“
„Aber Sie haben Ihr Mittagessen kaum angerührt“, wandte er ein.
Was der Wahrheit entsprach. Obwohl köstlich, hatte sie das leichte Gericht aus gedünstetem Fisch und frischem Gemüse genauso wenig reizen können wie die normalerweise unwiderstehliche Verlockung einer Mousse au Chocolat zum Dessert. Und wenn sie ehrlich war, konnte sie nicht den überaus ruhigen Flug dafür verantwortlich machen. Nein, ihr Mangel an Appetit hatte nur einen einzigen Grund – und der saß ihr gegenüber.
„Frauen essen eben nicht so viel wie Männer“, antwortete sie fest.
Xavier ließ den Blick bewundernd über die schlanke Silhouette ihrer wohlgeformten Beine schweifen. „Engländerinnen essen nie vernünftig“, bemerkte er kritisch. „Sie verzichten aufs Frühstück und essen dann zu Mittag Chips.“
„Tatsächlich esse ich niemals Chips. Wenn ich mich von Junkfood ernähren würde, könnte ich den anstrengenden Arbeitstag einer Anwältin gar nicht durchstehen. Und einmal abgesehen davon, dass es sich um eine unerhörte Verallgemeinerung handelt, glaube ich nicht, dass meine Essgewohnheiten ein angemessenes Thema sind, oder?“
„ Au contraire “, widersprach er sofort, weil flirten so viel einfacher und angenehmer war, als sich mit dem zu beschäftigen, was ihn in Kharastan erwartete. „Wenn Sie aber nicht wollen, dass die Männer Bemerkungen über Ihre hinreißende Figur machen, sollten Sie diese nicht derart zur Schau stellen.“
Unwillkürlich blickte Laura verwundert an sich herab. Zur Schau stellen? Die Stylistin hatte zwei völlig unterschiedliche Garderoben für Paris und für Kharastan ausgewählt. Die Kleidung für Paris war figurbetont, die für Kharastan dezent verdeckend. Heute hatte Laura sich natürlich für Kharastan gekleidet – so, wie es der Scheich eines Landes, in dem man von Frauen sittsame Kleidung gewohnt war, von einer Angestellten sicher erwartete. Das hochgeschlossene, langärmelige Kleid aus zartgelber Seide bedeckte sie bis hinunter zu den zierlichen Fesseln, wobei der dezente Schlitz bis zum Knie weniger als Blickfang denn der Bequemlichkeit beim Laufen diente. Die schlanken Füße zierten goldfarbene Sandaletten, und der einzige wirkliche Luxus bestand in kunstvoll gearbeiteten, weit herabhängenden Goldohrringen, in denen dunkelgrüne Edelsteine funkelten.
„Aber ich bin doch nicht aufreizend gekleidet!“, protestierte sie deshalb.
„Nicht?“ Xavier zog spöttisch die dunklen Brauen hoch. „Wurde dieses Kleid etwa nicht entworfen, um die höchst weiblichen Formen darunter zu betonen? Auf den ersten Blick dezent und sittsam, in seiner Wirkung jedoch das genaue Gegenteil … Wie Sie zweifellos wissen, finden wir Männer das oft unvergleichlich erregend. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Geschmack, Chérie.“
Aus seinem Mund klang das, als hätte sie es bewusst darauf angelegt, ihn zu verführen! Hatte es Sinn, ihn darüber aufzuklären, dass sie sich normalerweise ganz anders anzog? Dass Scheich Zahir sie für diesen Job von einer professionellen Stylistin hatte einkleiden lassen? Nein, besser, sie verriet ihm nicht mehr, als er unbedingt wissen musste. Derartige Erklärungen würden nur zu weiteren, womöglich noch persönlicheren Fragen führen. Und auf diese Ebene wollte sie sich mit Xavier nicht begeben, weil sie dort instinktiv Gefahr witterte.
Sie betrachtete ihn verstohlen. Nachdem sie am Abend zuvor mit dem ungehaltenen Berater des Scheichs telefoniert und ihm beigebracht hatte, dass Xavier darauf bestand, den Flug nach Kharastan selbst zu organisieren, hatte sie über einiges nachgedacht. Anscheinend ließ sich nichts daran ändern, dass Xavier de Maistre unverschämt mit ihr flirten würde. Er war ein attraktiver Mann und noch dazu Franzose … Und selbst wenn er tatsächlich nur zur Hälfte dieses Erbe in sich trug – galten die Franzosen nicht als besonders gute Liebhaber? Dazu floss womöglich das königliche Blut eines Scheichs in seinen Adern, womit sich auch die Vorstellung von besonderer Manneskraft verband. Kein Wunder also, dass Xavier sich ihr gegenüber in einer Weise benahm, wie sie es nicht gewohnt war. In der englischen Kleinstadt Dolchester hatte man zugegebenermaßen nur
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