Lady Marys romantisches Abenteuer
raffinierte Art von Folter.
„Das ist unsere Kutsche“, erklärte sie, „oder besser, die Kutsche unseres Vaters. Obwohl er sich bitter über den französischen Zoll beklagt hat, den er für das Privileg dieser Bequemlichkeit hat zahlen müssen. Sie kam in Einzelteile zerlegt mit dem Schiff aus England. Wenn die Männer sie zusammengebaut haben, sind wir bereit zur Weiterfahrt nach Paris.“
„Für weniger Geld, als ihn der Zoll gekostet hat, hätte er hier einen Einspänner mieten können.“ John hatte bereits von den wohlhabenden und wenig mutigen Engländern gehört, die lieber ihre eigenen Kutschen auf den Kontinent mitbrachten. Bis jetzt hatte er aber noch nie eine mit eigenen Augen gesehen. „Auf Ihren Kutscher wartet eine aufregende Zeit, wenn er dieses Ungetüm über die französischen Straßen manövrieren muss. Monsieur Dessin verleiht saubere Einspänner für einen Louisdor die Woche.“
Mary seufzte. „Vater hat kein Vertrauen zu Mietkutschen. Er würde noch nicht einmal eine Postkutsche benutzen. Er sagt, sie seien nicht sicher und die Polster würden Fliegen und Wanzen beherbergen.“
„Stattdessen lässt er lieber eine Kutsche ganz für Sie allein herbringen“, sagte John. Fast hatte er Mitleid mit der behüteten Mary. „Gäbe es einen besseren Weg, Ihnen jeden echten Kontakt mit den Leuten, geschweige denn mit den Wanzen eines Landes zu ersparen, durch das Sie fahren?“
„Es war Vaters Entscheidung“, erwiderte sie. John mochte die Art, wie sie zum Ausdruck brachte, dass sie in dieser Sache mit ihrem Vater nicht einer Meinung war. „Sie können sich vorstellen, wie viel Überredungskunst nötig war, bis er mir erlaubte, Kent zu verlassen, geschweige denn, allein nach Frankreich zu reisen.“
Er lächelte und dachte daran, was für einen Unterschied es da zwischen den Söhnen und Töchtern aus gutem Hause gab, besonders, wenn Reichtum diesen Unterschied noch größer machte – oder Armut. „Mein Vater hatte es so eilig, mich aus dem Haus zu bekommen, dass er mich auf ein Schiff nach Kalkutta setzte, als ich vierzehn war. Alles, was ich besaß, passte in einen einzigen Koffer.“
„Kalkutta!“, sagte sie erstaunt. „Oh, was für Abenteuer müssen Sie da erlebt haben!“
„Oh, so einige“, sagte er leichthin, denn die meisten seiner Abenteuer bei der East India Company waren nicht von der Art, dass er ihr darüber erzählen mochte. „Wahrscheinlich mehr als Sie erleben werden, wenn Sie brav in Papas Kutsche bleiben.“
„Aber ich habe schon zwei Abenteuer erlebt, Mylord.“ Wie am Tag zuvor, hob sie herausfordernd das Kinn. „Und Sie sind sogar dabei gewesen.“
„Helfen Sie mir auf die Sprünge.“
Sie lachte, und ihre Augen funkelten geheimnisvoll. „Gestern kaufte ich mein erstes Bild.“
„Oh, das Bild.“ Er musste mit ihr über dieses Gemälde reden, über seinen Verdacht und über Dumont – all das zusammen würde sicher als Abenteuer durchgehen. Das war auch der eigentliche Grund gewesen, wieso er sich erlaubt hatte, sie hier zu besuchen. Aber jetzt, wo er hier war und sie ihm Geheimnisse erzählte, sollte ihn kein Gemälde ablenken. „In Kent, vermute ich, würde man das als ein Abenteuer betrachten. Trotzdem fürchte ich mich fast, nach dem zweiten zu fragen.“
„Das sollten Sie nicht“, sagte sie, und wieder senkte sie die Stimme zu einem atemlosen Flüstern. „Mein zweites Abenteuer war mein Zusammentreffen mit Ihnen.“
„Sie schmeicheln mir, Mylady.“ Entzückt über ihre Antwort, lachte er leise. Aus welchem Grund auch immer, was das Weglaufen vor ihm betraf, so hatte sie sich eines Besseren besonnen, das war klar. Jetzt schien es, als wäre sie praktisch bereit, ihm in die Arme zu sinken – wenn auch immer noch zu ihren eigenen Bedingungen. Er nahm ihr die Blumen aus dem Arm und warf sie auf den Tisch, ohne dabei den Blick von Mary zu wenden. „Ich würde nicht sagen, dass wir ein Abenteuer miteinander erlebt haben. Noch nicht.“
„Miss Wood hat entschieden, dass wir morgen abreisen werden.“ Wehmütig sah sie wieder zu den Männern hinunter, die im Hof die Kutsche zusammenbauten. „Da bleibt nicht viel Zeit für ein … für ein richtiges Abenteuer, nicht wahr?“
Lässig strich John ihr eine Locke aus der Stirn, die sich gelöst hatte, und fuhr ihr mit den Fingerspitzen von der Schläfe hinunter zur Wange. „Das hängt davon ab, Mylady, wie verwegen Sie sind.“
„Ich will verwegen sein, Mylord“, sagte sie leidenschaftlich.
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