Lady Marys romantisches Abenteuer
Zeit du allein mit diesem Iren verbringst, der sich so gerne in alles einmischt!“
Entsetzt schnappte Mary nach Luft und flehte zum Himmel, dass John ihre Schwester nicht hören möge. „Seine Lordschaft mischt sich weder in deine noch in meine Angelegenheiten, Diana, und es ist ungeheuer unhöflich von dir, auf seine Herkunft anzuspielen!“
Diana lächelte. Ihre hellen Augen blitzen im Halbdunkel. „Wieso ist das unhöflich, wenn es doch so ziemlich das Einzige ist, was du von ihm mit Gewissheit weißt?“
„Ich weiß, dass er ein Lord ist, wie wir Ladies sind!“
„Ach wirklich, Mary?“, fragte Diana. „Wieso? Er hat weder eine Familie noch irgendwelche Freunde erwähnt, noch wo sich der Besitz seiner Familie befinden könnte, oder?“
„Ich bin nicht so wissbegierig wie du, Diana“, erwiderte Mary. Doch Dianas Fragen riefen wieder ihre eigenen Zweifel an John wach. Unangenehm berührt musste sie an all das denken, was Diana zum Glück nicht wusste – seine Vertrautheit mit der Gewalt, die Schusswaffe, die er bei sich trug, und dass er für einen Mann von Stand wirklich ein erstaunlich entwurzeltes Leben führte.
Aber was war mit alldem, von dem Diana ebenfalls nichts wusste – Johns Versuch, Monsieur Dumont aus den Flammen zu retten, oder dass er Mary vor ihrem Verfolger in Amiens gerettet hatte? Und wie er sie unter den Weiden geküsst hatte, ein Kuss, den sie nie vergessen würde? War all das nicht viel wichtiger?
„Ich weiß, was ich über ihn wissen muss“, fuhr Mary vorsichtig fort. „Ich halte nichts davon, in seinem Privatleben herumzuschnüffeln.“
„Aber wenn man Vater und seine Freunde als Beispiel nimmt, Mary, dann führen die meisten Lords ein öffentliches Leben und ein Privatleben“, argumentierte Diana scharfsinnig. „Sie sitzen auf ihren Gütern oder kümmern sich um ihren Besitz. Dein Lord John scheint keine anderen Verpflichtungen zu haben, als hinter dir herzuziehen und alle Arten anmaßender Dummheiten von sich zu geben, um dich und auch Miss Wood an der Nase herumzuführen.“
„Er tut nichts, um mich zu täuschen“, beharrte Mary. „Das alles sagst du nur, weil er an dir nicht interessiert ist.“
„Das ist nur ein Verlust für ihn, nicht für mich“, meinte Diana und zuckte gleichgültig die Achseln. „Er trägt feine Kleider, wirft mit Geld um sich, als wäre es nichts. Was aber, wenn all das nicht wahrhaftig ist? Was, wenn er nur ein Abenteurer ist und es auf deine Mitgift abgesehen hat?“
Tapfer reckte Mary das Kinn vor. „Wenn Seine Lordschaft ein Abenteurer ist, dann … dann bin ich eben eine Abenteurerin!“
Lachend ließ Diana den Kopf gegen die Lehne sinken. „Ich wünschte so sehr, Vater könnte hören, wie du das sagst!“
„Ich spaße nicht, Diana!“ Mary drehte sich um, sodass sie ihrer Schwester ins Gesicht sehen konnte. „Was John, ich meine Seine Lordschaft, mir über Bilder, Geschichte und andere Dinge erzählt, sagt er nicht nur, um mir etwas vorzumachen. Das weiß ich genau, Diana.“
„Tust du das, Mary?“, fragte die Schwester. „Wieso? Woher ?“
Mary holte tief Luft und hatte das Gefühl, ins kalte Wasser springen zu müssen, in dem sie bestimmt keinen Grund mehr zum Stehen finden würde. „Weil ich ihm vertraue, Diana. Ich vertraue darauf, dass Lord John mir die Wahrheit gesagt hat.“
„Du vertraust ihm.“ Diana wandte sich ab und starrte aus dem Fenster. Im Mondlicht wirkte ihr Profil mit einem Mal melancholisch. „Du kennst den Mann kaum, doch du beschließt, ihm zu vertrauen und nicht mir. Weil ich deine Schwester bin und mir Sorgen um dich mache, rate ich dir, vorsichtig zu sein, nur du … du hörst stattdessen auf ihn.“
„Diana, bitte, ich tue nichts …“
„Nein, Mary, du tust nichts. Aber du hast bereits mehr gesagt, als ich hören will.“ Diana sah demonstrativ aus dem Fenster und beachtete ihre Schwester nicht mehr.
Und wenn es Mary auch schmerzte, so erwiderte sie trotzdem nichts darauf. Sie ließ zu, dass das Schweigen wuchs und die Kluft zwischen ihnen füllte, bis sie wieder den Gasthof erreichten. Die Kutsche verlangsamte die Fahrt und hielt an. Eilig kam der Portier herbei, um die Kutschentür zu öffnen.
„Ich habe Miss Wood nicht verraten, dass du fortgegangen bist, Diana“, sagte Mary rasch. „Sie dachte, du wärst bei mir, und ich ließ sie in dem Glauben. Ich habe nichts erzählt.“
Doch ihre Schwester sprach kein Wort, schlüpfte aus der Kutsche und ging durch die Eingangstür,
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