Lady Marys romantisches Abenteuer
entschuldigen.
„Ich bezweifle, dass sie irgendjemanden hier kennt“, meinte sie. „Sie ist schließlich das erste Mal in Frankreich. Doch meine Schwester macht ihre, nun ja, ihre Bekanntschaften sehr schnell.“
Es war John hoch anzurechnen, dass er weder lachte noch zweideutig grinste. „Ich habe bemerkt, dass einer der Wachleute, die ich angeheuert habe, Ihrer Ladyschaft gegenüber aufmerksamer war, als es sich schickt. Natürlich habe ich mit ihm darüber gesprochen, das heißt aber nicht immer …“
„Meine Schwester kann sehr hartnäckig sein“, meinte Mary und wunderte sich, wieso sie selbst nichts von einem beginnenden Liebesabenteuer gemerkt hatte. Diana ging selten raffiniert vor. „Wissen Sie, wo dieser Mann logiert?“
„Im ‚Chat Rouge‘“, antwortete er und deutete die Straße hinunter, wo die billigeren Gasthöfe lagen. „Ich habe die ganze Truppe dort untergebracht. Jetzt bringe ich Sie zu Miss Wood zurück, und dann gehe ich …“
„Ich komme mit Ihnen“, sagte Mary entschieden. „Ich könnte es nicht ertragen, untätig herumzusitzen. Ich möchte in der Minute, in der sie gefunden wird, wissen, dass sie in Sicherheit ist.“
Ohne weiteren Widerspruch begann er, in Richtung des anderen Gasthauses zu gehen. „Ich hätte eher geglaubt, Sie wären gerne die Erste, um ihr bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen.
„Stimmt“, gab sie zu. „Aber erst nachdem ich sie in Sicherheit weiß.“
Er lachte, und sie spürte, dass sich zwischen ihnen etwas verändert hatte. Er war nicht länger nur ihr Retter. Und das war ihr recht. Zwar war sie froh, sich an John wenden zu können, wenn sie Hilfe benötigte, aber noch schöner war es, wenn sie zusammen ein Ziel verfolgten.
Sie gingen rasch die Straße hinunter. Das Gasthaus Chat Rouge war ein niedriges Gebäude. Seine dunklen, sich kreuzenden Balken waren in schmutziges Flechtmauerwerk eingebettet. Statt eines Portiers, der draußen die Gäste begrüßte, waren es hier die Stammgäste selbst, die draußen herumstanden, um zu trinken, zu streiten und zu schäkern. Einige lagen auf einer langen Bank, andere lehnten an der Mauer. Dieses Gasthaus war für Soldaten und Gesellen da – die beiden Männer, die Mary zuvor auf der Straße angesprochen hatten, kamen sehr wahrscheinlich von hier – und sicher fühlten sich die von John angemieteten Wächter in dieser Herberge wohl.
Doch es war kein Ort für Diana. Mary fühlte sich unbehaglich und hielt sich eng an Johns Seite. Niemals hätte sie es wagen können, das Wirtshaus ohne Begleitung zu betreten. Noch nicht einmal ihrer Schwester zuliebe.
„Gaston!“, rief John und winkte einen Mann in der Menge zu sich hin. „Gaston, hier!“
Sobald der Mann sich von einem der Schankmädchen gelöst hatte, erkannte Mary in ihm einen ihrer Wachen. In der einen Hand hielt er eine Flasche, die andere ruhte leicht auf dem Griff seines Rapiers. Mary wusste, dass das Rapier sozusagen ein Zeichen seines Berufsstandes war, und dass auch die meisten anderen Männer Rapiere und kurze Säbel trugen, wie auch Pistolen, die sie in ihre Gürtel steckten. Doch die damit ausgedrückte Bedrohung verunsicherte sie immer noch. Vater und seine Freunde benutzten Waffen nur zur Jagd, nicht um damit zu prahlen.
„Bonjour, Mademoiselle, bonjour, Monsieur.“ Gaston zog vor Mary und John den Hut. Er schien eher betrunken als nüchtern zu sein, so wie die meisten anwesenden Männer. „ Comment al lez-vous ?“
Doch John war nicht in der Stimmung für Höflichkeiten. Es war ein schnelles, kurzes Gespräch, das er in rauem französischem Dialekt, den Mary nicht einmal ansatzweise verstand, mit Gaston führte.
„Was hat er Ihnen gesagt?“, fragte sie, kaum dass der Mann sich abgewandt hatte, um zu seinen Freunden zurückzugehen. „Hat er Diana gesehen? Weiß er, wo sie ist? Sagen Sie es mir doch, John, sagen Sie es mir!“
Doch Johns zorniger Gesichtsausdruck sagte ihr mehr als genug. „Es ist, wie ich befürchtet habe. Sie ist mit Bauldet zusammen.“
„Dem großen Mann mit den rötlichen Haaren und der Narbe auf der Wange?“ Sie erinnerte sich an ihn als an den attraktivsten der Wachmänner. Offensichtlich hatte Diana ihn auch bemerkt.
„Genau der“, bestätigte John und eilte mit ihr bereits die Straße hinunter. „Bauldet ging zum Montmorency, um sie dort zu treffen, wie sie es verabredet hatten. Er versprach, ihr den Kanal zu zeigen. Es ist nicht weit von hier. Ich würde Bauldet, allein mit einer Frau,
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