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Lady Marys romantisches Abenteuer

Lady Marys romantisches Abenteuer

Titel: Lady Marys romantisches Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MIRANDA JARRETT
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Mary hinter dem Kranken her. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte sie noch nie jemanden gesehen, auf den diese Bezeichnung passte. Jetzt jedoch fiel ihr wieder ein, wo sie seinen Namen gelesen hatte: Er hatte regelmäßig eine Hauptrolle in den Londoner Skandalblättern gespielt, die sie und Diana manchmal in den Häusern anderer Leute gesehen hatten. Oft wurde er im Zusammenhang mit solch einem gemeinen Benehmen erwähnt, dass sein Name durch Sternchen ersetzt wurde, um zu vermeiden, dass der Herausgeber vor Gericht zitiert wurde.
    Während d’Archambault offensichtlich für seine Vergangenheit büßte, hatte selbst Mary in ihrer Unschuld etwas Verdorbenes an ihm verspürt, einen Hauch sündiger Grausamkeit, die unter der teuren Perücke um seine Lippen spielte, die Andeutung einer verbotenen, ungewollten Liebkosung in der Art, wie er seine Finger hielt.
    „Dann kennen Sie ihn also“, sagte sie. „Seltsam, dass er Sie nicht wiedererkannte.“
    „Ich?“ John schüttelte nur den Kopf. „Nein. Ich bin viel zu unbedeutend für seine erhabene Bekanntschaft.“
    „Bestimmt auch zu anständig und ehrenhaft“, meinte sie, „wenn es wahr ist, was man sich von ihm erzählt.“
    „Bestimmt ist das, was man sich erzählt, längst nicht alles“, antwortete John mit steinernem Gesicht. „Er ist kaum zehn Jahre älter als ich, und doch gleicht er einem gebrochenen Mann von achtzig Jahren. Man sagt, jetzt, da er dem Tod ins Angesicht sehen muss, sei er reumütig geworden, habe all seine zügellosen Gedichte verbrannt und seinen Geliebten den Laufpass gegeben, in der Hoffnung, dass das seine Seele rettet. Kein Wunder, dass die einzigen ihm noch verbliebenen Freunde Bilder sind.“
    „Bildern ist es gleich, wer sie anschaut“, meinte Mary sanft.
    „Nun, jetzt kann er weder Ihnen noch irgendjemand anderem etwas tun“, sagte John. „Jedenfalls nicht in diesem Leben.“
    „So Gott will.“ Sie holte tief Luft und war entschlossen, den lasterhaften Comte zu vergessen und sich stattdessen auf die Schönheit der sie umgebenden Bilder zu konzentrieren. Dieser Raum unterschied sich von den Galerien, die sie gesehen hatte. Dort hing immer ein riesiges Bild in würdevollem Glanz an einer einzigen, damastüberzogenen Wand, darüber eine Reihe kleinerer Gemälde desselben Malers, die so hoch gehängt waren, dass die Besucher sich den Hals verrenken mussten, um sie zu sehen.
    Hier waren die Bilder kleiner, in schmale goldene Rahmen gefasst und so dicht beieinander an die vier Wände gehängt, dass sie sich fast berührten: gemarterte Heilige neben ernst blickenden Söldnern, Jungfrauen mit lieblichen Gesichtern neben albtraumhaften Visionen von Teufeln, tanzende Damen über heldenhaftem Schlachtengetümmel. Irgendwie erinnerte es an einen Wandschrank, in dem Bilder lediglich gelagert wurden. Weil Mary diese kleineren, älteren Bilder viel lieber mochte als die großen, überladenen der letzten hundert Jahre, machte dieses lieblose Arrangement sie traurig.
    „Ich glaube, die Verantwortlichen hier haben nicht mehr Achtung vor den älteren Bildern als der Auktionator in Rouen“, sagte sie bekümmert. „Alles ist bunt durcheinandergewürfelt, wie Knöpfe, die einer Näherin aus dem Nähkorb gefallen sind.“
    „Es sind alles Italiener, aus Florenz, Rom, Venedig, Padua“, bemerkte John und ließ den Blick suchend über die Reihen schweifen. „Da ist es. Das muss von Ihrem Fra Pacifico sein.“
    Er nahm sie bei der Hand und führte sie zur gegenüberliegenden Ecke des Raumes. Mary sah sofort, welches Bild er meinte: Ihr Engel war ihr inzwischen so vertraut, dass in ihren Augen kein Bild von einem anderen Maler die gleiche, seltene Schönheit besitzen konnte.
    Es war das Porträt einer jungen Dame. Ihr Profil hob sich scharf gegen einen türkisblauen Himmel ab. Ihr Haar war geflochten, mit Juwelen und Perlensträngen durchwoben und zu einer Krone frisiert. Ihr rotes Samtgewand mit dem engen Mieder war zauberhaft mit Goldfäden bestickt und mit noch mehr Juwelen geschmückt. Während Marys Engel mit Blattgold gekrönt war, um ihm eine himmlische Pracht zu verleihen, sollten die Juwelen der Dame und der Samt die Macht ihrer Familie hier auf Erden zur Schau stellen, vielleicht als Hinweis für mögliche Ehegatten.
    Doch was sie mit dem Engel gemeinsam hatte, war der grausame Blick. Keine Spur von dem sanft dahinschmelzenden Ausdruck der Damen und Madonnen, die sie umgaben, keine rehäugige Sanftheit. Sie war von Geburt an eine

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