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Lady Marys romantisches Abenteuer

Lady Marys romantisches Abenteuer

Titel: Lady Marys romantisches Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MIRANDA JARRETT
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nur weil sie im Gasthof in Chantilly kurz – sehr kurz – davor gewesen war, das Bett mit ihm zu teilen? Sollte sie es wagen, wieder von vorne anzufangen, als ob nichts geschehen wäre? Wo sie beide doch wussten, dass dieses beunruhigende Verlangen unter der Oberfläche dieses Sommertages immer noch vorhanden war und ihnen den Boden unter den Füßen raubte?
    „Ich habe keine Angst“, sagte sie ein drittes Mal. Aber wen wollte sie damit überzeugen, ihn oder sich selbst?
    „Dann kommen Sie mit?“, fragte er. Seine ausgestreckte Hand wirkte fast wie ein Befehl. „Man sagte mir, das Gemälde sei nicht weit von hier. Es ist das Porträt einer Dame.“
    „Ich komme mit.“ Sie nahm die Gefahr auf sich. Alle Gefahren. Sie schrieb eine kurze Mitteilung an Miss Wood auf ein neues Blatt Papier und lehnte den aufgeschlagenen Skizzenblock an ihren Stuhl. Dann stand sie auf, wobei sie geflissentlich Johns Hand ignorierte. Während sie mit ihm die lange Galerie weißer Statuen mit leeren Augen durchquerte, sah sie ihn nicht an, warf nicht einen Blick auf ihn.
    Es war viel sicherer so, entschied sie.
    „Ich sagte Ihnen ja, es wäre nicht weit, Mary.“ Abseits der Hauptgalerie blieb er vor dem Eingang zu einem kleineren Raum stehen und wartete, um Mary den Vortritt zu lassen. Sie kam sich töricht vor, weil sie zögerte, wenn auch nur eine Sekunde lang. Endlich betrat sie hocherhobenen Hauptes die Kammer. Das hier war John, der immerhin bereits sein Leben riskiert hatte, um ihres zu retten. Trotzdem ertappte sie sich dabei, wie sie nach möglichen Fluchtwegen Ausschau hielt und mit Erleichterung bemerkte, dass dieser Raum keine Tür hatte. Es gab nur einen kurzen Korridor, durch den auch andere Besucher kamen und gingen. Hier war sie sicherer als auf jeder Straße in Paris – mit oder ohne John.
    Die kleine Galerie war indes nicht so leer, wie sie geglaubt hatte. Während sie noch zögerte, schob ein Diener einen Rollstuhl durch die Türöffnung. Darin kauerte ein in Schals und Decken gehüllter, zerbrechlich wirkender Herr. Sein Gesicht war aschgrau, die Wangen von tiefen Linien zerfurcht, die entweder von hohem Alter oder großem Leiden zeugten. Er war dennoch grell rot und weiß geschminkt, denn die Franzosen, Herren wie Damen, hatten eine Vorliebe für diese Art, sich zu schminken. Seine Perücke und Kleidung wirkten luxuriös, und über den Samthandschuhen trug er einen großen Diamanten am kleinen Finger. So zusammengesunken er auch in dem Rollstuhl saß, umgab ihn doch immer noch eine Aura von Adel und Bedeutung. Mary trat wie von selbst respektvoll zur Seite, als der Diener ihn vorüberschob.
    „Keine Förmlichkeiten, Mademoiselle, ich bitte Sie“, sagte er. Seine Stimme war ein keuchendes Krächzen. „Die alten Bilder sind jetzt meine einzigen Freunde.“
    „Ja, Monsieur“, sagte Mary freundlich. „Gewisse Bilder können einem großen Trost verschaffen.“
    „Genau so ist es.“ Er drehte den Kopf, um zu ihr aufzuschauen. „Wie klug Sie sind für ein so junges und hübsches Mädchen!“
    Es war ein harmloses, nichtssagendes Kompliment, doch der lüstern abschätzende Blick aus den wässrigen Augen des Kranken ließ Mary einen Schritt zurückweichen. Er begann, über ihr Unbehagen zu lachen. Dann ging sein Lachen in Husten über, sodass er sich das Taschentuch vor den Mund pressen musste und der Diener den Stuhl rasch weiterschob.
    Sofort fasste John sie am Arm und führte sie in die kleine Galerie. „Ich dachte, der alte Gauner wäre inzwischen tot und zu dem Dämon heimgekehrt, der ihn mit Sicherheit gezeugt hat.“
    „Er war wie der Teufel.“ Mary schauderte und war froh, fort zu sein. „Haben Sie gesehen, wie er mich musterte, John?“
    „Seien Sie froh, dass das alles ist, was er noch tun kann“, erwiderte er. „Er ist der Comte d’Archambault, Mary. Kommt Ihnen der Name bekannt vor?“
    Mary runzelte nachdenklich die Stirn. „Vage, ich weiß aber nicht, wo ich ihn einordnen soll. Ist er ein berühmter Adliger bei Hof oder vielleicht ein Philosoph?“
    „Oh ja, er ist berühmt, selbst für Pariser Verhältnisse“, meinte John. In seiner Stimme klang so viel Verachtung mit, dass Mary wusste, es würde noch viel schlimmer kommen. „Seine Familie gehört zu den ältesten und ehrwürdigsten, doch er ist der lebende Beweis dafür, dass selbst das blaueste Blut mit der Zeit dünn werden kann. Du siehst ja, wie das Laster ihn verwüstet hat.“
    „Er ist lasterhaft?“ Voller Interesse blickte

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