Lady Marys romantisches Abenteuer
auf einer Mauer aufgespießt.“ Unwillkürlich musste Mary schaudern. „Ich bin froh, dass wir in zivilisierteren Zeiten leben.“
John hob nur skeptisch die Braue, aber zu Marys Erleichterung sagte er nichts. Mary dachte an die Hinweise auf seine Vergangenheit, die er hier und da gegeben hatte, und vermutete, er hätte sehr wohl noch etwas dazu bemerken können, wenn er gewollt hätte.
„Erzählte ich Ihnen nicht, dass die französischen Soldaten Isabella kaum gewachsen waren?“, fragte er stattdessen. „Nicht jede Dame könnte ein halbes Dutzend Feinde erledigen mit nichts als dem Dolch, den sie im Mieder verborgen hat.“
„Sie schien ziemlich … ziemlich geschickt gewesen zu sein.“ Es fiel Mary schwer, die junge Dame auf dem Gemälde mit dieser blutrünstigen Geschichte in Einklang zu bringen. „Vielleicht ist sie ihren Verfolgern entkommen.“
„Amen.“
„Seien Sie ernst, John.“ Mary schob ihm das Buch zu, in dem sie gelesen hatte. „Hier steht, dass Isabellas zwei Schwestern auf der Flucht gefangen und getötet wurden. Isabella aber wurde nie gefunden. Wie schrecklich, beide Schwestern auf diese Weise zu verlieren. Ich kann mir ein Leben ohne Diana gar nicht vorstellen.“
„Sie dagegen versucht Sie bei jeder Gelegenheit loszuwerden.“
Mary warf ihm einen strafenden Blick zu. „Das meine ich nicht, und das wissen Sie genau. Sehr genau.“
„Dann verzeihen Sie mir.“ Er fuhr ihr leicht mit dem Finger über die Nase. „Erzählen Sie mir mehr über Isabella, und ich verspreche Ihnen, ich werde ihr meine Aufmerksamkeit schenken statt Ihnen.“
Besänftigt gab Mary nur einen kleinen Laut der Missbilligung von sich, und das war alles. Wie konnte sie ihm auch wirklich böse sein? „Nachdem die Franzosen Florenz erobert hatten, war Isabella die einzige ihrer Familie, die überlebt haben könnte.“
Seufzend stützte John den Kopf in die Hand. „Also konnte sie zweifellos in der Lage gewesen sein, mit dem berühmten Schatz ihres Vaters zu flüchten.“
„Ach ja, der Schatz“,sagte Mary aufgeregt.„Das geheime Versteck mit dem Gold der Feroces! Das wird in jedem Buch erwähnt.“
„Und von jedem Stadtführer in Florenz“, ergänzte John. „Nie hat einer es gefunden, noch wird es je einer finden. Mary, wenn ich nicht bald so einen entsetzlichen Pariser Kaffee und einen dieser süßen Biskuits bekomme, dann gehe ich hier in dieser vermaledeiten Bibliothek zugrunde, das schwöre ich.“
„Oh John!“ Mit einer Handbewegung wischte sie seinen Protest beiseite. Jetzt, wo die Antworten auf all ihre Fragen so verlockend nahe schienen, ließ sie sich nur ungern ablenken. „Wie können Sie jetzt an Kaffee denken? Wie können Sie nicht aufgeregt sein, wo wir die Lösung fast gefunden haben?“
„Ich bin aufgeregt, weil Sie es sind“, meinte er, „doch ich bin auch vorsichtig. Diese ganze Geschichte besteht nur aus reiner Spekulation, während die Leute, die Ihnen Ihren Engel stehlen wollten, ausgesprochen real sind. An Ihnen liegt mir sehr viel mehr als an dem Phantom einer Wagenladung Gold, Mary, ganz gleich, was Ihrem klugen Kopf zu all diesen Geschichten über die Feroces noch einfallen wird.“
„Aber wenn mein Engel geradewegs den Weg zu Monsieur Dumonts Laden in Calais fand, John“, widersprach sie ihm, „warum könnte dann nicht auch das Gold der Feroces hierher gelangt sein?“
„Weil Gold leichter ausgegeben wird, als man ein Bild verkauft.“ Er streckte die Hand aus und schloss das Buch, um ihre Geschichtsstunde zu beenden. „Es scheint mir viel wichtiger, dass der Pariser Adlige jetzt, wo die ganze niederträchtige Familie schon vor Jahrhunderten untergegangen ist, keinen größeren Anspruch auf die beiden anderen Teile des Triptychons hat als Sie.“
„Nein“, sagte Mary und klopfte entschlossen mit der Hand auf den ledernen Einband des jetzt geschlossenen Buches. „Den hat er ganz bestimmt nicht.“
„Mary, Mary“, mahnte John ernst. „Ein bisschen von Ihrer alten praktischen Wesensart, bitte. Verwechseln Sie nicht Dummheit mit Tapferkeit. Einen Nachfahren der Feroces herauszufordern ist nicht klug, ganz gleich, wie sehr Sie auch glauben mögen, im Recht zu sein.“
„Ich werde mich nicht einschüchtern lassen, John“, entgegnete sie. „Mehr als jeder andere müsste Sie das inzwischen wissen.“
„Ja, leider.“ Er nahm ihre Hand und führte sie an die Lippen. Dann drehte er sie um, sodass er die Innenfläche küssen konnte. „Und solange ich bei
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