Lady Marys romantisches Abenteuer
Eigentümer des Aktionshauses berichtete, dass es für dieses Bild überhaupt keine anderen Interessenten gab. Ursprünglich war es noch nicht einmal im Katalog enthalten, geriet dann aber irgendwie mit einer bunten Gruppe anderer Bilder zusammen hinein. ‚Altmodisch und wenig anziehend‘, so beschrieb er es.“
„Nun denn, es muss da noch einen anderen Weg geben, wie wir es versuchen können.“ Rasch überflog sie erneut den Artikel. „Hier steht, dieser Franzose lebt in Paris, und er hat italienische Verwandte. Er wird sicher …“
„Unmöglich aufzuspüren sein“, meinte John, entschieden genug, um keine Zweifel aufkommen zu lassen. „Halb Frankreich hat Vorfahren in Italien.“
„Aber wenn wir hier in Paris fragen …“
„Haben wir am Ende zu viele Namen, um alle zu überprüfen“, sagte er. „Hier gibt es überall italienisches Blut, besonders in den adligen Familien. Was das betrifft, gibt es das auch bei hochgeborenen Engländern. Erinnern Sie sich, dass unser eigener alter König Charles II. eine italienische Großmutter hatte, die Medici hieß.“
„Aber es muss noch einen anderen Anhaltspunkt geben!“, rief Mary ungeduldig. „Ich wünschte, ich hätte gewusst, dass dieses andere Bild auf der Auktion zum Verkauf angeboten wurde. Ich hätte ganz bestimmt darauf geboten. Zwei Bilder von dreien zu haben!“
„Unser geheimnisvoller Herr von Adel hat vielleicht schon das Mittelstück und nun auch noch einen Seitenflügel“, meinte John. „Wir wissen es nicht mit Sicherheit. Sie könnten das letzte Teil seines Trios besitzen.“
„Und ich werde nicht zulassen, dass er es bekommt“, erwiderte Mary heftig. „Wer immer er auch sein mag, der Engel gehört mir.“
Johns Lächeln verriet seinen Stolz angesichts ihrer Entschlossenheit. „Wir sind einer Meinung, Mary, aber dieser Adlige denkt vielleicht anders. Auch hat er uns gegenüber einen Vorteil, seitdem er weiß, wer Sie sind und dass Sie das Bild in Besitz haben, das ihm fehlt.“
„Dann muss er eben weiterhin warten“, sagte sie. „Er kann nicht herumlaufen und anderen Leuten Sachen fortnehmen, nur weil er sie haben will, John.“
„In England nicht“, entgegnete John. „Aber in Frankreich besitzt der Adel mehr Macht zu tun, was ihm beliebt. Und je nachdem wie hoch die Stellung dieses Gauners bei Hofe ist, dürfte er imstande sein, genau das zu tun. Wo ist das Bild jetzt?“
„An einem sicheren Platz“, wich Mary einer genauen Antwort aus. Sie wusste immer noch nicht, warum sie John keines ihrer Verstecke verraten wollte. Da Mary mit Diana dasselbe Zimmer teilte, waren sie ihrer Schwester vielleicht bekannt, wahrscheinlich aber auch nur, wenn sie jede Nacht aufgepasst hatte. Und da Diana eben Diana war, konnte man sich dessen nicht sicher sein. Mary vertraute John in den meisten Dingen, doch an diesem kleinen Geheimnis hielt sie fest. Es war, als würde es ihren Besitz des Bildes schwächen, oder es in ihren Augen weniger wertvoll erscheinen lassen, wenn sie irgendjemandem – selbst John – davon erzählte.
Sein Gesicht zeigte tiefe Besorgnis. „Vielleicht sollten Sie es bei einer Bank verwahren lassen, bis diese Angelegenheit geklärt ist. So wäre nicht nur das Bild in Sicherheit, sondern auch Sie.“
„Ich habe keine Angst, John“, widersprach Mary standhaft. „Ich bin die Tochter meines Vaters und werde mich nicht durch irgendeinen Franzosen einschüchtern lassen.“
Er stöhnte, und sie wusste, dass er nicht glücklich war über ihre Entscheidung. Nun gut, sollte er; sie würde nicht nachgeben. Für sie war das Gemälde etwas Besonderes. Sie hatte einen angemessenen Preis dafür bezahlt und war entschlossen, es zu behalten.
„Ich habe keine Angst“, sagte sie noch einmal. „Wirklich nicht.“
„Ich schon.“ Er stand auf und bot ihr die Hand. „Wenn Sie sich schon so mutig fühlen, würden Sie dann mit mir kommen? Ich hörte, irgendwo in diesen Räumen hier gäbe es noch ein weiteres Bild Ihres Fra Pacifico. Und ich dachte, wir könnten versuchen, es zu finden.“
Es hatte wie die freundliche Einladung zu einem kleinen Kunstspaziergang klingen sollen. Doch John sah dabei so finster aus, dass das Ganze plötzlich wie ein Wagnis erschien.
Sollte sie wirklich mit ihm gehen? War es nicht sehr unvernünftig? Sollte sie nicht besser daran denken, dass er über Schusswaffen, Mord und solche Dinge Bescheid wusste, wie er selbst zugegeben hatte?
Wäre es nicht dumm, alle Befürchtungen beiseitezuschieben,
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