Lady meines Herzens
richtig angefühlt. Aber wenn sie sich jetzt vorstellte, wie Clarissa sich fühlte, verabscheute sie sich für ihre Tat.
Andererseits hatte Clarissa sich ihren eigenen Worten zufolge in einen anderen Mann verliebt.
»Es blieb nicht unbemerkt, dass ihr beide während des ersten Akts von Die Rivalen gestern Abend verschwunden seid«, informierte Eliza sie.
»Verflixt«, murmelte Sophie.
»Es ist skandalös und einfach nur schamlos! Bin ich denn die Einzige hier, die sich daran erinnert, dass der Mann verlobt ist?«, bemerkte Julianna. Ihre Stimme klang ätzend.
Die anderen Frauen murmelten, dass sie dieses Detail durchaus nicht vergessen hätten.
»Seine Verlobte hat sich Hals über Kopf in einen anderen Mann verliebt. Sie würde kein zweites Mal darüber nachdenken, ehe sie sich mit ihm zu einem romantischen Stelldichein trifft«, verteidigte sich Sophie. »Wenn ihre Mutter es ihr gestatten würde, heißt das.«
»Das soll wohl alles entschuldigen, hm?«, gab Julianna zurück.
»Es bedeutet nur, dass die ganze Situation nicht einfach Schwarz oder Weiß ist«, konterte Sophie. Es waren eher Dutzende Graustufen. Clarissa liebte Frederick, aber sie schien nicht daran zu denken, ihre Verbindung mit Brandon zu lösen, der Sophie gestanden hatte, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte. Und dann war da noch von Vennigan … Er konnte die Sache noch komplizierter machen oder die Lösung all ihrer Probleme bedeuten. Sophie wusste es nicht. Es war eben alles grau, grau, grau …
Doch der Ehevertrag war unterschrieben. Dieser Gedanke ließ sie laut seufzen.
»Ich verstehe einfach nicht, wie du dich so verhalten kannst, obwohl du genau weißt, wie es damals für mich war. Es ist genauso wie bei Somerset«, behauptete Julianna. Aus dem Augenwinkel bemerkte Sophie, wie Annabelle und Eliza die Köpfe schüttelten.
»Das ist nicht dasselbe. Es hat nichts mit dir zu tun, sondern es passiert etwas mit uns, was größer ist als ich oder er«, erwiderte Sophie. Somerset hatte seine Zuneigung wahllos verteilt. Brandon und sie verband etwas Einzigartiges.
»Du kannst nicht bestimmen, in wen du dich verliebst.« Annabelle seufzte. »Wenn man das könnte, würde ich mich in jemanden verlieben, der mir bereits seine Aufmerksamkeit schenkt.« Damit spielte sie auf Mr Knightly an, dem schon seit Längerem ihre Zuneigung galt, der aber nur Augen für Damen der besseren Gesellschaft oder Frauen mit eher dubiosen Moralvorstellungen hatte. Mit anderen Worten, er bemerkte Annabelle einfach nicht.
Julianna schien ernsthaft darüber nachzudenken. Doch dann schüttelte sie entschieden den Kopf. »Es ist absolut dasselbe. Da ist die Frau, der die Aufmerksamkeit ihres Mannes rechtlich gesehen zusteht – Clarissa oder auch ich. Und dann sind da die anderen Frauen, die den Mann von seinem Pfad der Tugend ablenken – Somersets Mätressen, Lavinia und du .«
Lavinia. Sophie hatte schon länger nicht mehr an sie gedacht. Aber sie schob den Gedanken auch jetzt rasch beiseite.
»Aber kann man Begehren und Gefühle wirklich mit rechtlichen Maßstäben messen?«, überlegte Eliza. »Ich bezweifle es, besonders dann, wenn ein Paar wie Lord Brandon und Lady Clarissa nicht aus Liebe heiratet.«
»Und würdest du wirklich nur dann geküsst werden wollen, wenn diese Küsse durch einen Vertrag besiegelt sind?«, fügte Annabelle hinzu. Sie knüpfte an den eher philosophischen Aspekt der Unterhaltung an, weil sie hoffte, Julianna und Sophie so abzulenken.
»Ich würde es nicht wollen«, sagte Eliza. Annabelle nickte zustimmend.
»Warum kannst du für mich in dieser Sache keine Stütze sein?«, fragte Sophie. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl, sich ihrer besten Freundin nicht anvertrauen zu können.
»Ich will nicht erleben, wie er dir wehtut«, antwortete Julianna.
Sophie schob sich einen Keks in den Mund, was sie davon abhielt, einen unüberlegten Gedanken auszusprechen. Wollte ihre Freundin nicht erleben, wie sie verletzt wurde? Oder sollte sie nicht glücklich werden? Das war eine schreckliche Anschuldigung (die ihr dank des Kekses nicht laut entschlüpfte).
Juliannas Einwände waren durchaus berechtigt, und Sophie verstand, woher sie kamen. Die Untreue hatte im Leben ihrer Freundin verheerende Schäden angerichtet. Zuerst war Juliannas Vater untreu gewesen und später ihr Ehemann. Trotzdem erwartete Sophie von ihrer besten Freundin ein bisschen Mitgefühl und Verständnis, statt Vorwürfe und Entmutigungen.
Glücklicherweise
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