Lady meines Herzens
blieb ihr noch Clarissas Freundschaft, sie verstand Sophie wenigstens – auch wenn das merkwürdig klang. Dennoch fehlten ihr das Mitgefühl und das Einfühlungsvermögen ihrer besten und ältesten Freundin. Wann waren sie einander so fremd geworden?
»Weißt du was? Das ist die perfekte Gelegenheit für einen kleinen Test«, sagte Eliza. »Du könntest Wrights Tonikum zur Heilung missliebiger Gefühle auf die Probe stellen.«
»Oh ja!« Annabelle klatschte begeistert in die Hände. Sophie konnte diese Begeisterung kaum nachvollziehen. Sie hatte zwar schon darüber nachgedacht, das Tonikum einzunehmen, hatte die Idee aber rasch wieder verworfen.
»Ich wette, das ist nichts als Zuckerwasser oder Laudanum«, wandte Julianna ein.
»Und ich bin gar nicht sicher, ob ich meine unpassenden Leidenschaften aufgeben will«, sagte Sophie. Sofort verfinsterte sich Juliannas Miene.
»Es wird vermutlich nicht klappen«, gab Eliza zurück. »Du könntest es aber trotzdem versuchen …«
»Willst du mich als Versuchsperson für einen Artikel missbrauchen?«, fragte Sophie misstrauisch.
»Vielleicht«, gab Eliza zu. Rund um den Tisch hoben die Frauen skeptisch die Augenbrauen. »Also gut, ja.«
Es brauchte nicht viel Überzeugungsarbeit, bis Sophie einverstanden war, einen Schluck von der merkwürdig blauen Flüssigkeit einzunehmen, die dem Patienten versprach, sein Blut zu kühlen, das Herz zu beruhigen und eine unpassende Leidenschaft vollends zu heilen.
Kapitel 30
Hamilton House
Als er am nächsten Morgen sein Arbeitszimmer betrat, sah Brandon das Dokument, das er angefordert hatte, bereits auf seinem Schreibtisch liegen. Es handelte sich um den Ehevertrag, in dem sämtliche Verbindlichkeiten geregelt wurden, die mit der Eheschließung von ihm, »Lord Henry William Cameron Hamilton, zehnter Duke of Hamilton and Brandon« (danach folgte eine Aufzählung seiner anderen fünfzehn Adelstitel) mit »Lady Clarissa Elizabeth Gordon, der alleinigen Nachfahrin von Lord Reginald Jonathan Francis Gordon, sechzehnter Duke of Richmond« (und auch hier wurden zahlreiche weitere Titel aufgezählt) verbunden waren.
Hätte es gestern Abend nicht die aufregende Begegnung mit Sophie im Theater gegeben – oder jede andere Begegnung mit ihr –, würde er seinen Ehevertrag jetzt nicht noch einmal durchgehen.
Er wäre glücklich verlobt mit der perfekten Ehefrau und Duchess, statt von einer zauberhaften Verführerin angezogen zu werden.
Oh, und verführerisch war sie wahrhaftig! Er hatte von ihr kosten dürfen, und bei Gott, er wollte mehr davon. Nachdem er sich endlich die Freiheit herausgenommen hatte, seinen Mund auf ihren zauberhaften Nacken zu pressen – auf die Stelle, von der er schon so lange träumte –, musste er zu seinem Missfallen feststellen, dass dieser Kuss seine Begierde nur vergrößerte, statt sie zu stillen. Es war, als hätte er Brotkrumen bekommen, obwohl er einen ganzen Laib begehrte.
Er stellte tatsächlich solche banalen Vergleiche an! War das nicht ein erschreckendes Zeichen dafür, wie durcheinander er war? Brandon wagte nicht, sich vorzustellen, welche emotionalen Aspekte mit dieser Leidenschaft verbunden waren – die Eifersucht, die Sehnsucht und der brennende Schmerz, wenn er sie in Gesellschaft eines anderen Mannes wusste. Er verstand jetzt, wie sie sich fühlen musste, wenn sie ihn mit Clarissa sah. Oder eine romantische Geschichte über ihn und Clarissa schreiben musste, die ganz London las!
Brandon unterdrückte nur mühsam einen Fluch. Zum ersten Mal in seinem Leben dachte er ernsthaft darüber nach, sich schon vor der Mittagsstunde einen Drink zu genehmigen.
Doch zuvor musste er den Vertrag durchgehen und jede Möglichkeit in Betracht ziehen.
Nach der überraschend offenen Unterhaltung, die er am Vorabend mit Clarissa geführt hatte, war er nicht sicher, ob es überhaupt Sinn hatte, nach einem Schlupfloch zu suchen, selbst wenn es so groß war wie der Pazifik. Es würde Clarissa nicht das Herz brechen, wenn die Eheschließung nicht wie geplant stattfinden würde, aber sie hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie nicht vorhatte, die Verlobung zu lösen.
Und das nur wegen einer vor vielen Jahren verstorbenen Tante.
Jetzt verstand Brandon die Richmonds besser als zuvor. Auch wenn sie dadurch keine angenehmere Gesellschaft wurden, empfand er so etwas wie Mitgefühl für Mutter und Tochter – und eine große Verantwortung, die auf ihm lastete.
Dass die tragische Geschichte der lieben,
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