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Lady Punk - Roman

Lady Punk - Roman

Titel: Lady Punk - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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Stachelbeeren und dann die zarteren Johannisbeeren.
    Frau Adamski packte Terry ein Kuchenpaket zusammen. Und dann pflückte sie ihr noch einen Blumenstrauß aus den Vorgartenpflanzen.
    So war das also, wenn man Besuch war. Terry war noch nie Besuch gewesen. Sie war schon in verschiedenen Wohnungen und Häusern gewesen, die ihnen aber gehörten, das heißt eigentlich Lieschen. Sonst war Terry höchstens auf Partys eingeladen. Aber das war anders. Das war kein Besuch. Es gefiel ihr sehr, Besuch zu sein.
    Herr und Frau Adamski begleiteten Terry bis auf den Sandweg. Frau Adamski gab Terry die Wohnungsschlüssel. Dann zeigte sie mit der Hand zum Zaun. »Nur zwei Häuser weiter«, sagte sie. »Da ist sie.«
    Sie zeigte zur Grenze. Sie hatten von ihr die ganze Zeit über wie von einer Person gesprochen oder zumindest von etwas mit Charakter. Terry wandte den Kopf und sah sich den Zaun noch mal an. Wirklich, nur ein hoher Weidegraszaun.
    Herr Adamski schaute wieder auf Terrys Füße. »Und danach haben wir Holzpantinen angezogen«, sagte er.
    Frau Adamski sagte: »Lass doch, Otto. Sie weiß doch gar nicht, wovon du sprichst. Diese jungen Leute von heute. Sie nehmen ihr Leben selbst in die Hand. Ja, wirklich.«
    Ja, wirklich, dachte Terry, das habe ich heute gemacht, mein Leben in die Hand genommen. Sie fühlte sich nicht mehr wie Queen of American Heaven . Das passte jetzt nicht zu ihr. Sie war so beladen mit Früchten und Kuchen und Blumen. Sie brauchte einen neuen Namen. Fruit of the Loom kam ihr in den Kopf, wie es auf diesen Hemden stand und auf manchen Unterhosen, aber wie ein Hemd fühlte sie sich nicht. Etwas kämpferisch fühlte sie sich, etwas stark, wie Jeanne d’Arc vielleicht, die auch ihr Leben in die Hand genommen hatte. Eine Jungfrau also, die eiserne vielleicht, ja, und die der Früchte, Virgin of Fruit and Iron . Es passte alles zusammen.
    Die Adamskis winkten hinter Terry her. Terry hielt Beeren und Blumen und Kuchen mit beiden Händen hoch in die Luft.
    »Kommen Sie bald wieder«, rief Frau Adamski.
    »Ja«, schrie Terry zurück.
    Auch Herrn Adamski war etwas eingefallen. »Holzpantinen«, rief er, »wie die der Holländer. Genau solche.«
    »Ja«, schrie Terry. Dann musste sie um die Ecke biegen. Es warteten schon zwei Leute an der Bushaltestelle.
    Die Straße in Steglitz, in der sich Terrys Wohnung befand, war eintönig mit Bäumen bestanden. Alle Häuser in dieser Straße reihten sich dreistöckig aneinander und die Fassaden waren mit einem schmutzigen Gelb bemalt. Terry hatte drei Schlüssel mitbekommen, für Haus- und Wohnungstür und einen für den Briefkasten. Ihre Wohnung lag im zweiten Stock. Als sie den Schlüssel in der Tür umdrehte, kam eine Frau aus einer Nachbarwohnung. Sie schaute Terry von oben bis unten an und umgekehrt. Diese Blicke kannte Terry. Diese Blicke machten Terry besonders stark.
    »Wer bist du denn?«, fragte die Frau.
    Terry war einen Moment lang etwas erschrocken. Sie fragte sich, ob ihre Wirkung nachgelassen hatte und sie nicht mehr wie mindestens siebzehndreiviertel aussah. Die Frau hatte sie geduzt, und das war heute das erste Mal gewesen, von Brille und dem Schwarzen abgesehen. Josef, der Maler, zählte nicht. Er hatte Terry aufgenommen in die Riege der Nachbarinnen und Kindergärtnerinnen, die ja für alle in seinem Alter Tanten waren. Überhaupt war diese Geschichte ja gar nicht passiert, denn Terry hatte sie sich in einem verrückten Moment ausgedacht.
    Terry sah die Frau auch von oben bis unten an und umgekehrt. »Ich habe die Wohnung gemietet«, sagte sie.
    Die Frau zog die Stirne kraus, und Terry merkte, dass sie was Falsches gesagt hatte.
    »Die Wohnungen sind alle vermietet«, sagte die Frau. »Es sind Sozialbauwohnungen, da zieht keiner aus.«
    Terry hatte die netten Adamskis nicht reinreißen wollen. Sie versuchte, ihren Fehler wieder gutzumachen. »Ich bin Besuch«, sagte sie. »Die Familie Adamski hat mir gestattet, hier einige Zeit zu übernachten. Ich bin die Nichte aus Amerika.«
    »Ich wusste gar nicht, dass die Verwandte in Amerika hatten«, sagte die Frau.
    »Doch«, sagte Terry. »Wir haben aber erst jetzt Kontakt aufgenommen.«
    Die Frau schien sich etwas beruhigt zu haben. »Aus Amerika«, sagte sie.
    »Ja«, sagte Terry. »Aus Pittsburgh.« Sie wusste nicht, wie sie auf den Namen kam. Es war, als ob ihr jemand das Wort eingeflüstert hatte. Sie sprach es sehr amerikanisch aus.
    »Aus Amerika«, sagte die Frau wieder. Sie sah Terry noch einmal genau

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