Lady Punk - Roman
fertig war, hielt Frau Adamski ihr sofort die Platte hin, damit sie ein nächstes nahm.
»Soso«, sagte Frau Adamski. »Sie wollen also unsere Wohnung mieten.«
»Ja«, sagte Terry.
»Eigentlich ist es nicht unsere Wohnung«, sagte Frau Adamski. »Wir haben sie auch nur angemietet, von der Stadt. Aber wir wollen sie nicht aufgeben.«
Herr Adamski nickte zu jedem Wort. Er schenkte Terry Kaffee nach und schob ihr Zucker und Milch zu.
»Wir leben so nah an der Grenze«, sagte Frau Adamski. »Es ist ganz alltäglich. Aber man weiß nie, was kommt. Wenn was kommt, haben wir noch die Stadtwohnung.«
Frau Adamski schob Terry jetzt ein Rhabarberstück direkt auf den Teller. »Nicht, dass Sie Angst haben müssen wegen der Wohnung. Dass Sie rausmüssen oder so. Es wird ja nichts passieren. Es ist nur für alle Fälle. Weil wir nämlich so nah an der Grenze wohnen. Wir wären die Ersten. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Terry nickte mit dem Kopf, obwohl sie kein Wort verstand. Klar, Berlin war eine Insel. Nur statt Wasser gab es rundum Land. Und einen Zaun. Oder eine Mauer. So war das für Terry schon immer gewesen. Kein Grund zur Unruhe. Es würde nichts passieren.
»Also«, sagte Frau Adamski, »die Wohnung kostet zweihundertzehn Mark im Monat. Es ist so billig, weil, ich meine, Sie verstehen, es ist wegen der Stadtverwaltung. Strom geht aber extra und Telefon.«
»Ich kann jetzt nur den halben Monat bezahlen«, sagte Terry. »Mehr habe ich nicht mit. Es ging alles so schnell.«
»Das geht schon in Ordnung«, sagte Frau Adamski. »Ich hole noch eine Quittung. Wir werden das ganz richtig machen. Einen Vertrag brauchen wir nicht. Das ist eine Sache des Vertrauens.«
Frau Adamski holte aus einer wuchtigen Kommode einen Quittungsblock und einen Füller. Mit einer ordentlichen Kinderschrift füllte sie den Beleg aus. Terry bezahlte einhundertfünf Mark und war damit für heute fast pleite.
Herr Adamski betrachtete gründlich Terrys Füße. Er öffnete jetzt zum ersten Mal seinen Mund. »Wir sind früher auch immer barfuß gelaufen«, sagte er.
»Ach, Otto«, sagte Frau Adamski. »Das war früher doch ganz anders. Damals hatten wir’s nicht und jetzt wollen sie’s nicht.«
»Ich sehe da keinen Unterschied«, sagte Herr Adamski. »Barfuß ist barfuß.«
»Sie laufen heute alle so rum«, sagte Frau Adamski. »Die jungen Leute von heute. Ganz bunt und lustig.«
»Barfuß ist barfuß«, sagte Herr Adamski.
»Gib dem Fräulein lieber noch einen Kaffee«, sagte Frau Adamski. »Und dann zeigen wir ihr den Garten.«
Terry bewunderte den Gemüsegarten, obwohl sie von Gartenarbeit nichts verstand. Hier war alles in Reih und Glied. Tomaten waren an gewellten Zinkstangen hochgezogen. Die Johannisbeer- und Stachelbeersträucher hingen schwer von Früchten. Terry musste alle probieren. Nach acht Stück Obstkuchen war es schon etwas schwierig, alles runterzukriegen, aber ein richtiges Problem war Essen für Terry noch nie gewesen.
Die Adamskis hatten dicke Kohlköpfe auf ihrer Gartenerde liegen. Terry wusste nicht, was man damit machen konnte. Sie hatte noch nie in ihrem Leben Kohl gegessen. Überhaupt war sie für Gemüse nicht sehr zu haben, es sei denn, man machte Ketchup daraus.
»Also, sagen Sie nicht, dass Sie die Wohnung gemietet haben«, sagte Frau Adamski. »Die Nachbarn sind sehr neugierig. Obwohl viele das so machen. So für alle Fälle. Wir sind jetzt zu alt für die Stadt. Sagen Sie einfach, Sie wären Besuch.«
Terry nickte. Sie versuchte eine der noch grünen Pflaumen, aber die war zu sauer und Terry musste sie auf den Komposthaufen spucken. Herr Adamski lachte, als ob es ein Witz gewesen wäre.
Hinter dem Komposthaufen war ein Schuppen gebaut, in dem Werkzeuge aufbewahrt waren. Oben war eine Luke eingelassen, aus der Tauben ein und aus flogen. Herr Adamski hatte einen Taubenschlag aus dem Dachboden des Schuppens gebaut. Die Vorderseite war von den Tauben weißlich verschissen.
Der Garten war irgendwie uneinheitlich. Mal zu ordentlich und an der Schuppenseite rein chaotisch. Terry wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie hatte so was noch nie gesehen. »Es ist schön hier«, sagte sie. Es war ihr so rausgeflutscht, sie hatte es gar nicht sagen wollen, aber es war wohl die Wahrheit.
»Gib dem Fräulein noch ein paar Beeren mit auf den Weg, Otto«, sagte Frau Adamski. Sie holte aus dem Schuppen eine durchsichtige Plastiktüte und Otto Adamski pflückte die Beeren ab. Zuerst die schweren
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