Lady Punk - Roman
Hörer ein. Dann saß sie ganz still auf dem Bett und hörte nur den Wasserhahn aus der Küche, den sie nicht fest zugedreht hatte, tropfen. Wenn sie zu tief Luft holte, quietschte auch die Stahlfederung des Bettes unter ihr.
Schließlich blätterte Terry wieder in dem Telefonbuch. Lieschens Name stand schon damals genauso in dem Buch. Sie hatte bis heute nichts ändern lassen. Als Name stand immer noch der von Terrys Großvater da. Lieschen wollte die Eintragung nicht löschen lassen, obwohl sich sonst viel geändert hatte. Früher, als der Großvater noch lebte, gehörte das ganze Haus ihnen, und die anderen Wohnungen, die sie nicht benötigten, waren vermietet. Lieschen hatte nach dem Tod des Großvaters alle Stockwerke bis auf das oberste, in dem sie wohnten, als Eigentumswohnungen verkauft. Sie wollte mit Mietern nichts mehr zu tun haben, und es war viel Geld, was sie für den Verkauf bekam. Mit dem, was der Großvater sonst noch hinterlassen hatte, war es eine ganze Menge. Lieschen lebte von dem Geld, was das Geld auf der Bank von selbst verdiente, und auch Terrys Mutter lebte von den Zinsen. Geld war kein Problem in der Familie, überhaupt keins.
Terry suchte nach ihrem Namen. Es gab viele Leute mit dem Namen Burger, aber es waren alle Burgers , Willi Burger und Anton Burger und Lieselotte Burger. Es gab nur einen Burger, der ein Börger war, mit Ausnahme von Burger King natürlich, und das war Christopher W. Burger, und das war ihr Vater, und Terry schlug das Herz bis in den Hals, bis in die Ohren, so dass sie das Tropfen aus der Küche längst nicht mehr hören konnte, keine Sirene wäre zu ihr durchgedrungen. Christopher W. Burger und dieselbe Nummer, die sie jetzt noch hatten, klar, aber die Mutter hatte, im Gegensatz zu Lieschen, den Zustand geändert. Jetzt gab es nur noch Christa Burger, und kein Mensch konnte wissen, dass der Name eigentlich amerikanisch war.
Terry riss die Seite vorsichtig aus dem Telefonbuch heraus. Aus ihrer Hosentasche holte sie das Foto ihres Vaters, das irgendwie übrig geblieben war, als ihre Mutter einmal alles, was mit C. W. Burger zusammenhing, vernichtet hatte. Terry vertiefte sich in das Bild. Ihr fiel das Wort bildschön ein. Ja, sie fand ihren Vater bildschön. Er war groß und kräftig und sah sehr glücklich aus. Er trug ein T-Shirt mit halbem Arm. Auf der Brust waren zwei Schriftzüge zu sehen, die Terry aber nicht entziffern konnte. Mit diesen starken Armen musste er Terry doch mal gehalten haben. Immerhin waren sie vier Jahre lang zusammen gewesen und dann hatte die Mutter alles ausgelöscht.
Auf der Rückseite des Bildes stand With love , und die Tintenschrift war etwas verwischt, so, wie sich die Liebe zu ihrer Mutter auch verwischt hatte. Im Grunde verstand Terry auch nicht, wie jemand ihre Mutter lieben konnte. Das mit Onkel Hugo war sowieso etwas anderes, es war wohl eher wie ein Geschäft, mit Liebe, ja, mit Liebe hatte es überhaupt nichts zu tun.
Terry faltete die Telefonbuchseite auf ein ähnliches Format wie das Foto. Sie steckte beides zurück in die Hosentasche und das Telefonbuch in die Schublade des Wohnzimmerbuffets. Dann verließ sie ihre Wohnung. Sie steckte die Schlüssel ein und schlug die Eingangstür zu. Den Blumenstrauß vergaß sie. Er blieb auf dem Küchentisch mit der bunten Wachstuchdecke liegen.
Als Terry wieder im Stadtzentrum war, fühlte sich die Luft merklich kühler an. Ein Wind war aufgekommen und am Himmel zog sich was zusammen. Im Moment sah es noch wie Dunst aus, aber es würde wohl ein Sommergewitter werden.
Terry schlenderte den Kudamm entlang. Die Leute sahen sie an und sie sah die Leute an. Sie überlegte, was sie noch machen konnte, aber sie hatte kaum Auswahl, weil fast das ganze Geld, das sie einstecken hatte, ausgegeben war. So betrachtete sie die Auslagen und die Menschen in den Restaurants. Irgendwo in der Stadt musste ihre Mutter sein und irgendwo auch Lieschen.
Terry war am Café Kranzler angelangt. Sie ging ganz langsam an den Fenstern vorbei und betrachtete alles, die Leute, die gedeckten Tische, die altmodischen Tischlampen mit Stoffschirmen, die gemütlich aussehen sollten.
Terry sah Lieschen schon von weitem. Sie erkannte sie von hinten. Terry wusste, dass nur Lieschen dieses gepflegte, immer leicht gewellte Silberhaar, das artig wie eine Kappe ihren Kopf schmückte, tragen konnte.
Terry beobachtete Lieschen, obwohl die so gut wie nichts tat. Lieschen hatte sich einige Illustrierte zurechtgelegt. Sie
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