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Lady Punk - Roman

Lady Punk - Roman

Titel: Lady Punk - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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schlimmer.«
    Und Terry wusste wiederum nicht, was Lieschen genau meinte.
    Es war doch noch was passiert. Lieschen hatte einen Trauerbrief erhalten. Der verrückte Herbert war gestorben und die Beerdigung fand in zwei Tagen statt. Lieschen war ein bisschen wie versteinert. »Es ist alles Schicksal«, sagte sie. »Wäre alles wie geplant gekommen, säßen wir noch in Italien und könnten nicht auf die Beerdigung. Man kann machen, was man will, aber es ist alles Schicksal.«
    Terry empfand eine wirkliche Trauer, als sie vom Tod des verrückten Herbert erfuhr. Sie hatte nie geglaubt, dass etwas aus ihrer Umgebung einfach verschwinden würde, auf Nimmerwiedersehen, es sei denn, man drehte selber dran, wie es die Mutter seinerzeit mit all den Stofftieren getan hatte, oder wie Terry es eingefädelt hatte mit Onkel Hugo. Aber vielleicht war das eben das Schicksal gewesen. Man saß in etwas drin und kam nicht heraus und Terry war nur ein Handwerkszeug von irgendwas gewesen. Ihr war etwas unheimlich zumute.
    Terry bestand darauf, mit Lieschen zur Beerdigung gehen zu wollen. Die Mutter redete gegen das Vorhaben. »Was hast du mit den Leuten zu tun?«, fragte sie.
    »Genauso viel wie du«, sagte Terry. »Er muss genauso alt wie du gewesen sein. Eigentlich. Und lebte nur drei Häuser weiter. Und Lieschen kennt seine Mutter.«
    Das Gespräch war der Mutter peinlich. Sie ging auch nicht auf die Beerdigung. »Mir wäre es lieber, wenn du nicht gingest«, sagte sie zu Lieschen.
    »Das ist meine Sache«, sagte Lieschen.
    »Dann lass wenigstens das Kind aus dem Spiel«, sagte die Mutter.
    »Sie ist alt genug, selbst zu entscheiden«, sagte Lieschen.
    »Bin ich auch«, sagte Terry, und zu ihrer Mutter: »Du kannst dich auf den Kopf stellen.«
    Sie wusste nicht, warum ihr so viel dran lag, mit Lieschen auf die Beerdigung zu gehen. Vielleicht, weil sie so etwas noch nie mitgemacht hatte, und Terry wollte gern alles einmal mitgemacht haben. Aber es war da auch noch ein bisschen mehr. Irgendwie fühlte sie sich wie verwandt mit dem verrückten Herbert. Das Treppenhaus war leer ohne ihn und seine Bemerkungen, die ihn zwar verrückt erscheinen ließen, die Terry aber zu verstehen glaubte.
    Sie legte an der Eingangstür die Hand auf den Messingknopf und zog sie wie elektrisiert zurück, als sie sich vorstellte, dass hier vor wenigen Tagen noch der verrückte Herbert gestanden und die Tür aufgehalten hatte. »Madam«, hätte er gesagt und sie hätte zum Gruß mit der Hand an die Stirn getippt und die Welt wäre noch ein Stück in Ordnung gewesen.
    Es war dann doch wie die Vorbereitung auf eine tolle Veranstaltung. Terry ging mit Lieschen einkaufen. Lieschen besorgte sich ein schwarzes Kostüm und einen leichten Herbstmantel. Auch Terry wollte sich der Sache angepasst anziehen. In einer Boutique erstand sie einen schwarzen Satinoverall. Er war todschick. Auch Lieschen nickte zu ihrer Wahl.
    Sie bestellten einen Kranz in einer Gärtnerei. Terry kam richtig in Fahrt, als sie die Blumen für das Gebinde aussuchten. Lieschen gab nach, trotz des traurigen Anlasses schon fast lächelnd.
    Es sollte ein wunderschöner Kranz werden. Auf dem Tannengrün waren nur rosa Blüten gesteckt. Gerbera, Rosen und glockenblumenartige Doldenblüten. Dazwischen, etwas weiter herausragend als die anderen Blumen, Löwenmäulchen. So wollte es Terry, und als alles ihrem Wunsch entsprechend bestellt war, sagte sie glücklich: »Das wird eine freudige Überraschung.«
    Die Frau in der Gärtnerei war etwas irritiert. Lieschen versuchte zu erklären. »Meine Enkelin ist nämlich …«, sagte sie, aber sie brachte keine Entschuldigung zustande.
    Terry wusste auch nicht, was los war. Zu Hause hörte sie den ganzen Abend lang die alten Beatles-Platten. Sie stellte sich den verrückten Herbert vor, in der Yellow Submarine und im Strawberry Field. Terry stand am offenen Fenster und sah hinaus. Der Himmel wurde in der Stadt nie schwarz. Der dunkle Himmel mit Sternen war nur in ihrer Vorstellung da. Ein Kirmeshimmel mit violetten und goldenen Glühbirnen, die an- und ausblinkten.
    Terry sang laut mit der Musik. »Lucy in the sky with diamonds.« Und Lucy wurde Terry. Terry am Himmel mit Diamanten. Wieso konnte das Sterben einen so schön traurig machen?
    Noch kurz vor der Beerdigung brachte Terry die Sache in Ordnung. Lieschen hatte sie darum gebeten. Die Sache war die Rechnung des Maklerbüros. »Schaff das aus der Welt«, hatte Lieschen gesagt und ihr das Geld gegeben.

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