Lady Punk - Roman
»Bitte.«
Es war keine große Angelegenheit, die Sache aus der Welt zu schaffen. Terry füllte auf der Post eine Zahlkarte aus und damit war alles erledigt.
Von der Wohnung in Steglitz erzählte Terry gar nichts. Es war nicht notwendig, dass Lieschen und die Mutter davon erfuhren. Sie würden darauf drängen, auch diese Geschichte aus der Welt zu schaffen. So, wie es sich jetzt verhielt, war alles nur ein dummer Scherz gewesen. Warum, fragte keiner.
Auf der Beerdigung des verrückten Herbert waren mehr Leute anwesend, als Terry gedacht hatte. Fast alle Bewohner der Häuser in der Umgebung. Terrys Mutter war tatsächlich nicht mitgekommen.
Der Kranz, den Lieschen und Terry bestellt hatten, war schon direkt zur Kapelle geliefert worden. Er war der größte und schönste Kranz von allen, die der verrückte Herbert geschenkt bekam, und Terry war ein bisschen stolz.
Sie sah den hellen Sarg vor dem kleinen Altar stehen und fragte Lieschen, ob sie den verrückten Herbert noch einmal sehen durfte. Sie wollte nicht recht glauben, dass jemand in so einem Kasten liegen konnte. Und außerdem hatte sie noch nie einen Toten gesehen.
Die Mutter des verrückten Herbert hatte Terrys Wunsch mitbekommen. »Das geht nicht, Kindchen«, sagte sie zu Terry. »Er ist schon zugemacht.«
Es hörte sich schrecklich an, so unabänderlich, und Terry hatte den dringenden Wunsch, die ganze Angelegenheit zu ändern und die Beerdigung unnötig zu machen. Es dauerte eine Weile, bis sie verstand, dass sie machtlos war, dass hier gar nichts helfen würde und dass selbst Lieschen mit ihrem Geld die Sache nicht in Ordnung bringen konnte.
»Warum wolltest du ihn sehen?«, fragte die Mutter des verrückten Herbert.
Die Wahrheit konnte Terry nicht sagen. Aber was war die Wahrheit? »Ich mochte ihn so«, sagte Terry und es war in diesem Moment ein bisschen wahr.
Die Mutter des verrückten Herbert umarmte Terry rasch. »Du gutes Kind«, sagte sie. »Gott vergelt’s dir.«
Und Terry fühlte sich recht gut. Sie spürte die Arme der Frau um sich, die sie ein paar Sekunden lang ganz festhielten. Es war schön, ein guter Mensch zu sein.
Als der Pfarrer kam, fing die Beerdigung an. Lieschen griff nach Terrys Arm und legte ihre kleine Hand leicht auf Terrys linken Unterarm. Obwohl diese Berührung ganz sanft war, spürte Terry doch, wie Lieschen sie damit dirigierte und zielstrebig auf die vorderste Bank in der Kapelle hinsteuerte.
Die Leute sangen ein paar traurige Lieder, und der Pfarrer hielt eine Rede, die zwar anfangs vom verrückten Herbert handelte, aber schnell davon abkam und das Leben der Mutter vom verrückten Herbert beschrieb, als ob es deren Beerdigung wäre. Die Frau nickte bei jedem Satz, den der Pfarrer sagte. Es war eine schöne Rede, und am Schluss hatte Terry das Gefühl, klatschen zu müssen, das sie aber schnell wieder unterdrückte.
Der Sarg wurde nun auf einem kleinen Wagen durch die Kapelle gezogen, und die Leute standen auf, um hinterherzulaufen. Lieschen hatte die Mutter des verrückten Herbert untergehakt und ging direkt hinter dem Sarg. Terry folgte, und wie sie die beiden Frauen vor sich betrachtete, wunderte sie sich, dass sie einmal als Schulmädchen gemeinsam in einer Klasse gesessen hatten. Lieschen war schmal und gerade geblieben und sah von hinten fast jugendlich aus. Die Mutter des verrückten Herbert war auf die Größe von Lieschen zusammengeschrumpft. Sie musste früher viel größer gewesen sein. Ihre Wirbelsäule war nicht nur nach vorn gekrümmt, sondern auch noch seitlich verschoben.
Sie hatten zwei verschiedene Leben, die beiden Frauen vor Terry, und das von der Mutter des verrückten Herbert war schwierig gewesen, sonst hätte Lieschen ihr nicht immer geholfen und auch noch den verrückten Herbert gegen einen Stundenlohn beschäftigt. Aber ob Lieschen glücklicher gewesen war?
Wie Terry sie von hinten sah, fiel ihr nicht ein, ob Lieschen je gelacht hatte. Sie konnte sich ihr Gesicht nicht recht vorstellen, und als sie alle an der ausgehobenen Grube stehen bleiben mussten und Lieschen sich umdrehte, war Terry froh, dass sie es wieder erkannte, Lieschens blasses, ruhiges und fast altersloses Gesicht.
Die Leute versammelten sich um die Grabstelle. Terry stand hinter Lieschen und ragte ein bisschen über all die Leute hinaus. Sonst hatte es ihr nicht so viel ausgemacht, dass sie so besonders groß und kräftig war, aber heute schämte sie sich fast deswegen. Sie versuchte, ein bisschen in den Knien
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