Lady Punk - Roman
meinte, aber der Satz hörte sich sinnvoll an, und Terry stimmte ihm in Gedanken zu, ehe sie Lieschens Arm nahm und sie zum Taxi führte.
Es war alles sehr anders geworden. Schon wenn Terry ins Haus kam, spürte sie die Veränderung. Es war, als ob sie von draußen die frühe Herbstluft hineinbrachte und mit ihr einen Hauch Schwermut. Dabei war es noch Hochsommer, Ende August.
Sie vermisste wirklich den verrückten Herbert, der mit dem Mond Zwiesprache gehalten hatte und immer an der Tür wie zum Appell bereit war.
Auch die Praxis von Karl-Heinz Gutbrod interessierte Terry nicht mehr. Die Welt stand Kopf.
Zu allem Überfluss wurde Frau Krosanke krank, bevor sie noch die Koffer ausgepackt und die dreckige Wäsche sortiert hatte. Das Chaos war unglaublich. Die Mutter telefonierte nach einer Aushilfskraft. Es konnte noch Tage dauern, bis sich jemand durch das Arbeitsamt melden würde. Inzwischen aber stapelte sich das Geschirr, auch wenn es nur vom Frühstück her stammte.
Lieschen und Terry packten die herumliegende Wäsche wieder zurück in die Koffer und fuhren mit dem Taxi eine Wäscherei an, wo sie alles abgaben mit dem Auftrag, sie nach einigen Tagen schrankfertig zu übergeben.
Terry fühlte sich nach dieser Sache großartig. Sie hatte keine Ahnung, woher Frau Krosanke die Kraft nahm, das alles allein zu bewältigen. Lieschen sagte: »Solche Frauen haben das ihr Lebtag gemacht. Sie sind es gewöhnt.«
Terry wusste nicht, ob sie sich je im Leben an etwas gewöhnen konnte, an die schönen Dinge, ja, und sie dachte an ihre modische Kleidung, aber ebenso schnell war man die ja wieder leid. »Dass sie es nicht leid wird«, sagte Terry. »Immer für andere Leute zu putzen und aufzuräumen. Ich könnte das nicht.«
»Du brauchst es auch nicht«, sagte Lieschen und fügte hinzu: »Gott sei Dank nicht.« Und so war die Sache vom Tisch, ebenso schnell, wie man eben einen Koffer dreckiger Wäsche in der Wäscherei abgeben konnte.
Auch die Mutter hatte sich gewöhnt. An Onkel Bernd. Es war dasselbe Leben, das sie mit ihm führte, wie vorher mit Onkel Hugo. Nicht ganz. Onkel Bernd musste tagsüber ins Geschäft, während Onkel Hugo so gut wie nichts getan hatte. Er hatte nur die Mutter als Beschäftigung gehabt und lebte wohl, wie sie, auch von der Bank oder auf Kosten der Mutter. Terry hatte sich darüber nie Gedanken gemacht.
Onkel Bernd war für die Mutter nur abends greifbar, es sei denn, sie fuhr hinüber ins Geschäft, um ihn von der Arbeit abzuhalten. Tagsüber langweilte sie sich sehr. Sie schluckte mehr Tabletten als je zuvor und schlief oft bis gegen die Mittagszeit. Schließlich beschloss sie, sich auch um das Geschäft zu kümmern und Geld darin zu investieren.
»Du hast doch keine Ahnung von Antiquitäten«, sagte Lieschen.
»Da braucht man auch nicht viel«, sagte die Mutter. »Und was notwendig ist, verschaffe ich mir schon.«
Die Mutter brauchte Geld von Lieschen, viel Geld, und Lieschen sträubte sich eine Zeit lang, aber gegen die Mutter war sie schließlich machtlos. Es war ständig von Erbschaft die Rede und Vermögensanteilen. »Ich bekomme sowieso später alles«, sagte die Mutter. Und Lieschen seufzte und musste dann doch wohl gezahlt haben, denn das Thema war plötzlich beendet. Die Mutter war dann sehr beschäftigt, gleich von morgens an, und noch mehr mit Onkel Bernd verbunden.
Es war alles total schief gelaufen.
Terry stand am geöffneten Fenster. Es war kühler geworden, eine Luft, die still und lau zwischen den Häusern lag und direkt über den Dächern in eine Art Nebel überging, der auf Terrys Gemüt lastete. Es war seit Tagen nichts geschehen.
Terry wartete darauf, dass eine Aufwartefrau kam. Aber niemand war bereit, auch noch den täglichen Abwasch zu übernehmen. So trank Terry ihren Sprudel aus ein und demselben Glas, das sie umgekehrt im Waschbecken stehen hatte. Auch bevorzugte sie Limonadengetränke aus der Dose, die kein Problem hinterließen.
Einmal am Tag, irgendwann zwischen Mittag und Abend, ging sie hinaus und aß sich voll, das Übliche, McDonald’s oder Burger King, und obwohl ihr auf einmal alles wie Pappe schmeckte, stopfte sie in sich, was sie nur konnte, als ob es helfen würde, die Unruhe zu beseitigen.
Abends waren Onkel Bernd und die Mutter kurz anwesend, bevor sie sich zum Essen, das sie natürlich auch in einem Restaurant einnahmen, fertig machten. Meistens rief Isabel um die Zeit an. Sie versuchte, der Mutter auf die Nerven zu gehen. Aber die Mutter
Weitere Kostenlose Bücher