Lady Sunshine und Mister Moon
es so aus, als wäre es ein wenig zu viel des Guten, aber für die Bühne war es perfekt.
Ihre Kollegin Eve betrat einen Augenblick später den Umkleideraum, steuerte ihren Schminktisch drei Plätze von Carlys Tisch entfernt an und legte ihren Fuß hoch. Sie zog ihre Netzstrümpfe an der Wade und den Schenkeln glatt. Dann erst blickte sie auf, entdeckte Carly und lächelte. „Hey, Mädchen“, sagte sie. „Wie geht es deinem Knöchel?“
„Fast wieder normal.“ Hoffe ich !
„Das ist auch besser so“, kommentierte Julie-Ann zuckersüß. „Ich werde es nicht zulassen, dass du meine Revue ruinierst.“ Sie lachte, als ob das ein guter Witz gewesen wäre.
Carly blickte die Vortänzerin gleichgültig an. „Ja. Es wäre wirklich furchtbar für mich, wenn meine Verletzung deine Vorstellung ruinieren würde.“
„Hast du nicht verstanden, Carly?“, fragte Treena trocken. „Es geht hier nur um Julie-Ann. Was mit dir ist, spielt keine Rolle.“
„Sicher tut es das“, meinte Eve. „Du hast sie doch gehört: Es könnte ihr die Revue versauen.“ Dann sah sie die Vortänzerin mit erhobenen Brauen an. „Und wann bist du wieder zur Einzeltanztruppe geworden? Ich dachte, wir sind eine Gruppe.“
„Oh, um Himmels willen!“, entgegnete Julie-Ann. „Beruhigt euch wieder! Das sollte ein Witz sein.“
Sicher doch. Die drei Tänzerinnen tauschten kurze Blicke, bevor sie ohne weitere Kommentare damit fortfuhren, sich auf die Show vorzubereiten.
Doch Carly drehte sich noch einmal um, griff sich zwischen die Schulterblätter und klopfte suchend auf dem Rücken herum. „Kannst du sehen, ob da irgendwo ein Messer steckt?“, fragte sie Treena über die Schulter hinweg.
Ihre rothaarige Freundin lächelte schief. „Faszinierend, wie sie das macht, oder?“, sagte sie genauso leise. „Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, wie eine Frau so engelsgleich lächeln kann, während sie mit dem Finger in die Wunde einer anderen sticht.“
„Und wenn eine weiß, wie sich das anfühlt, dann bist du das, Süße.“ In den letzten Monaten war Treena unter Julie-Anns Beschuss geraten. Dabei hätte sie die Unterstützung ihrer Vortänzerin dringend gebraucht, als sie nach einem Jahr Abwesenheit darum kämpfte, ihre Form in der Truppe wiederzufinden. Doch anstatt sie dabei zu unterstützen, hatte ihr Julie-Ann auch noch Steine in den Weg gelegt.
Treenas Lächeln verwandelte sich in ein Zähnefletschen. „Sie hat ihre Macht über mich verloren.“
„Du stehst definitiv zu deiner Entscheidung, dass dies dein letztes Jahr sein wird?“
„Es ist höchste Zeit für mich! Ich bin langsam zu alt für das hier. Jax und ich haben schon über Alternativen für mich gesprochen.“
„Ich nehme an, da gibt es einige“, erwiderte Carly. „Und ich freu mich für dich, Süße, auch wenn ich dich sehr vermissen werde. Wie lange tanzen wir jetzt schon zusammen? Seit zehn Jahren?“
„Ja. Kannst du dir das vorstellen?“ Treena legte den Fuß auf die Ablage des Schminktischs und beugte sich weit vor, um ihre Achillessehne zu dehnen. Während sie sich langsam wieder erhob, deutete sie auf den Blumenstrauß, der zwischen ihren Plätzen stand. „Also, was glaubst du, von wem die Blumen sind?“
„Keine Ahnung.“ Carly hörte auf, ihr Haar unter dem Turban ihres Kopfschmucks zu verstauen, und schaute ihre Freundin fragend an. „Vielleicht sollte ich morgen mal den Blumenhändler des Hotels fragen, ob er sich an jemanden erinnert. Weil ich ehrlich gesagt keine Ahnung habe.“
„Hey, vielleicht war es Wolfgang.“
Carly verschluckte sich und lachte so heftig, bis ihr die Tränen kamen. „Oh, Mist. Wenn du noch einmal dafür sorgst, dass ich mir mein Make-up verschmiere, bring ich dich um.“ Sie griff sich ein paar Papiertücher und presste sie vorsichtig auf die Augen, um die Tränen daran zu hindern, mit der Wimperntusche zu verlaufen. Als sie sicher war, dass kein Schaden mehr entstehen konnte, wandte sie sich erneut an ihre Freundin.
„Denkst du tatsächlich, dass Herr Obergrimmig Blumen an jemanden verschenkt, mit dem er nicht mal das Laken teilt?“
„Na ja … eigentlich nicht.“
„Ich auch nicht. Du lieber Himmel! Ich kann mir ja nicht mal vorstellen, dass er locker genug für eine kleine Nummer wäre.“
Was sie allerdings nicht davon abhielt, davon zu träumen, dass er nackt und schweißnass auf ihr lag.
Aber das würde ihr kleines Geheimnis bleiben.
6. KAPITEL
A m nächsten Morgen wurde Wolf von Niklaus’
Weitere Kostenlose Bücher