Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lady Sunshine und Mister Moon

Lady Sunshine und Mister Moon

Titel: Lady Sunshine und Mister Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Andersen
Vom Netzwerk:
Musik aus dem Schlaf gerissen. Die schrägen Töne und kreischenden Gitarrenriffs passten zum Hämmern in seiner rechten Schläfe. Die unharmonischen Töne kamen aus den Lautsprecherboxen im Wohnzimmer. Er wälzte sich stöhnend im Bett, bis er sich schließlich aufrichtete, die Ellbogen auf den Knien aufstützte und den schmerzenden Kopf in den Händen vergrub.
    Lieber Himmel, war er erledigt! Er fühlte sich wie eine Kerze, die an beiden Enden gleichzeitig brannte. Er hatte sich die letzten zweiundsiebzig Stunden beinahe überschlagen, um nachts im Kasino zu arbeiten und tagsüber seiner Familie Las Vegas zu zeigen. Er hatte deftiges Essen gegessen, an das er nicht mehr gewöhnt war. Und er hatte schwer daran gearbeitet, die Erwartungen seiner Mutter zu erfüllen.
    Was bedeutete, zu reden. Zu lächeln. Verflucht freundlich zu sein.
    So viel ungewohnte Geselligkeit war gefährlich für sein leicht entflammbares Gemüt. Das eigentlich gezähmte Tier warf sich plötzlich gegen die Käfigtür und bettelte um Erlösung. Diese Scheißmusik in dieser unerträglichen Lautstärke hören zu müssen, schrammte bei seinem enormen Schlafdefizit gefährlich an der Grenze seiner Belastbarkeit entlang.
    Doch selbst wenn er an die reinigenden Kräfte eines Wutanfalls geglaubt hätte, wäre dies ganz sicher kein geeigneter Zeitpunkt. Es wäre hochgradig unfair gewesen, seine Wut an Niklaus auszulassen. Wolfgang erinnerte sich nur zu gut daran, wie es war, seine Sachen zu packen, obwohl man sich gerade eingewöhnt hatte, nur um diesen elenden Prozess woanders von vorn zu beginnen.
    Das kam noch zu seinem Schuldgefühl hinzu, weil er Niklaus letzte Nacht sich selbst überlassen hatte.
    Nachdem er seine Eltern zum Flughafen gebracht hatte, damit sie zurück nach Bolivien fliegen konnten, hatte Wolfgang eigentlich vorgehabt, mit dem Teenager nach Hause zu fahren. Dort wollte er eine Pizza bestellen oder was auch immer Niklaus sich gewünscht hätte. Stattdessen erwartete ihn zu Hause auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht von Dan McAster, dem Chef der Security-Abteilung des Avventurato.
    „Wir haben einen Notfall.“ Dan klang kurz angebunden. „Ich brauche Sie hier. Sofort.“
    Also hatte Wolfgang Niklaus praktisch schon in der ersten Sekunde der Abwesenheit seiner Mutter – der einzigen Person, die Niklaus bislang wenigstens ein Minimum an Sicherheit geboten hatte – in einer fremden Wohnung alleinlassen müssen. Als ob der Junge nicht schon genug damit zu tun hatte, mit einem Onkel leben zu müssen, den er kaum kannte.
    Dennoch, Wolf presste seine Finger gegen die schmerzende Schläfe: Diese Musik musste aufhören, bevor sein Kopf explodierte.
    Er stand auf, griff nach dem Hemd, das er letzte Nacht auf den Nachttisch geworfen hatte, und zog es über. Er hielt sich gar nicht erst mit dem Zuknöpfen auf, sondern fischte ein paar Shorts aus dem Schrank und schlüpfte hinein. Den Reißverschluss zog er auf dem Weg ins Wohnzimmer zu, wo er sofort auf die Stereoanlage zusteuerte und die Lautstärke herunterdrehte.
    Niklaus lag auf der Couch und blickte finster, als Wolfgang mit seinem Kinn auf die Wand deutete, die an Carlys Wohnung grenzte. „Nimm wenigstens ein bisschen Rücksicht auf unsere Nachbarin.“
    Zu seiner Überraschung erhellten sich die Züge des Jungen. „Ich habe sie letzte Nacht auf dem Balkon gesehen. Sie sieht scharf aus! Und sie hat ungefähr hundert Katzen und Hunde. Wie cool ist das denn?“
    Bei der Erwähnung von Carlys Haustieren war Wolfgang kurz davor, die Brauen zu runzeln und die Zähne zu fletschen. Doch er schaffte es, einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck zur Schau zu stellen, weil er das erste Anzeichen von Freude auf der Miene des Jungen nicht zerstören wollte.
    „Ja“, murmelte er. „Cool. Absolut.“ So ein Blödsinn.
    Du lieber Himmel! Sie trieb ihn in den Wahnsinn. Er hatte letzte Nacht über eine Stunde gewartet, dass sie nach der Show endlich auftauchte. Aber war sie erschienen? Nein! Natürlich nicht. Sie hatte seine einfache Bitte einfach ignoriert. Und er schäumte immer noch, weil er so lange auf ihr Erscheinen gewartet hatte, obwohl er längst zu Hause bei Niklaus hätte sein müssen.
    Ihr Nichtauftauchen hatte ihn zwar nicht wirklich überrascht, aber er war immer noch wütend auf sie.
    Was ihn tatsächlich überraschte, war, dass er kurz davor war, die straffen Zügel, mit denen er sein Temperament normalerweise im Griff behielt, schleifen zu lassen. Die Notwendigkeit, in den

Weitere Kostenlose Bücher