Lady Sunshine und Mister Moon
zurück.
Kaum dass er die Türschwelle übertreten hatte, wandte Niklaus sich zu ihm um und ging auf ihn zu. Erst als ihre Nasenspitzen sich fast berührten, blieb er stehen. „Solltest du mich vor meinen Freunden jemals wieder dermaßen in Verlegenheit bringen, bin ich hier weg“, fuhr der Junge ihn an. „Ich werde es auf keinen Fall zulassen, dass du mich wie einen rotznasigen Sechsjährigen behandelst. Schon deshalb nicht, weil ich für mich selbst verantwortlich bin, seit ich in diesem beschissenen Alter war.“
Aus diesem Blickwinkel hatte er Niklaus’ Erziehung noch nie betrachtet. Aber sein Neffe hatte recht: Wie Wolf seine Schwester kannte, hatte sich der Junge schon als Kleinkind um sich selbst kümmern müssen. Dennoch hörte er sich zur Selbstverteidigung sagen: „Bitte entschuldige. Ich dachte, ich müsste dich retten.“
„Mich retten?“, fragte der Junge ungläubig. „Wovor?“
Verdammter Mist! Wolf konnte ja schlecht sagen, dass er ihre Unterhaltung belauscht hatte. Carly schien es bemerkt zu haben, aber Niklaus hatte bis jetzt offenbar keine Ahnung. Und dabei hätte Wolf es lieber belassen. Während er über eine vernünftige Erklärung nachgrübelte, verfestigte sich sein Groll auf Carly. Sie hatte ihm diesen Mist eingebrockt. Hatte ihm die Hand gereicht, um ihn in diesen Schlamassel zu führen.
Er mochte es nicht, wenn man mit ihm spielte.
Achselzuckend sagte er: „Carly ist nicht gerade in deinem Alter. Ich dachte, die Situation wächst dir über den Kopf.“
„Und worauf basiert deine Annahme, wenn ausnahmsweise ich dir mal eine Frage stellen darf?“
Carly hat recht. Ich bin ein Idiot, dachte Wolf. Was um alles in der Welt sollte er darauf erwidern?
Der Ausdruck, der auf Niklaus’ Gesicht auftauchte, befreite ihn aus der Not, sich eine vernünftige Erklärung einfallen lassen zu müssen. Dem Jungen fiel die Kinnlade runter. „Was? Du dachtest, sie ist scharf auf mich?“ Dann schloss er den Mund wieder. „Mann, du bist ja wirklich abgedreht! Aber selbst wenn es eine Chance gäbe, dass jemals etwas zwischen uns passiert“, fuhr er rundweg fort, „dann wäre das eine Sache zwischen ihr und mir. Mein Liebesleben geht dich verdammt noch mal nichts an. Kapiert?“
Na gut. Eins zu null für Nik. Sein eigener Vater hatte damals auch nichts über Wolfs Leben gewusst. Nicht auszudenken, wie er sich gefühlt hätte, wenn Rick so eine Unterhaltung mit ihm angefangen hätte!
Doch als er den Mund öffnete, um zu sagen, dass er verstanden hatte, brüllte Niklaus los: „Nur zur Erinnerung, Onkel Wolfgang. Du bist nicht mein Vater. Und selbst wenn: Ich werde nächsten Monat siebzehn, und ich bin schon seit zwei verfluchten Jahren keine Jungfrau mehr. Es ist also zu spät, um mich vor mir selbst zu schützen. Ich habe damals niemandem erlaubt, sich in mein Privatleben einzumischen, und ich werde jetzt nicht damit anfangen. Nicht einmal, um ein lausiges Dach über meinem Kopf zu haben. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“
Wolf hatte ihn aussprechen lassen, aber er hatte nicht die Absicht, Niks Äußerung unkommentiert zu lassen. Er packte ihn bei den Schultern und blickte in die wütenden Augen seines Neffen. „Das Dach über deinem Kopf ist weder jetzt Teil eines Gespräches über dein Privatleben, noch wird es das je sein. Unterkunft und Verpflegung sind dir sicher, solange du willst, Nik. Das heißt aber nicht, dass es keine Regeln gibt.“
Niklaus befreite sich aus Wolfs Griff und trat einen Schritt zurück, um sich dem ungewollten Körperkontakt zu entziehen. „Welche Regeln? Meinen Pyjama anzuziehen und um zehn im Bett zu liegen?“
Wolf lachte. „Nein. Deine Großmutter hat mir erzählt, dass du gut in der Schule bist.“
„Hey.“ Niklaus starrte ihn an. „Du hast gelacht, ohne dass dein Gesicht in zwei Teile zersprungen ist.“ Er hob die Brauen. „Grandma hat dir erzählt, dass ich gute Noten habe?“
Wolf konnte Niklaus schlecht sagen, dass er gelauscht hatte. „Ich glaube, das Wort, das sie benutzte, war ‚exzellent‘ . Sie ist sehr stolz auf dich.“ Das immerhin war die Wahrheit. „Und solange deine Noten exzellent bleiben, kannst du so spät ins Bett gehen, wie du willst. Aber ich möchte, dass du an Schultagen um elf Uhr zu Hause bist und an den Wochenenden um eins. Außerdem erwarte ich, dass du mir eine Nachricht hinterlässt, wenn du irgendwohin gehst. Ich will wissen, wo du bist und wie ich dich erreichen kann. Dafür werde ich dir ein Handy
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