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Ladylike

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Titel: Ladylike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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aber aushorchen, was vor Ort so läuft, muß man ein Stück mit ihm fahren.«
    Mit Taxis hat Anneliese seit Jahren Erfahrung. Sie besitzt zwar einen Führerschein, wurde aber von Hardy fast nie ans Steuer gelassen. Inzwischen hat sie das Fahren völlig verlernt und ist froh, daß ich dafür zuständig bin. Sie sprüht sich noch rasch Chanel No 5 in den Ausschnitt, dreht mir eine lange Nase und wechselt am Bahnhof die Pferde.
    »Gute Idee mit dem Taxi«, sagt Rudi, »darauf wäre ich nie gekommen. Zum Glück brauchen wir jetzt nicht mühsam nach dem Hotel zu suchen, sondern können einfach hinterherfahren!«
    »Ja, ja, Anneliese ist clever«, sage ich leicht ironisch, »fragt sich nur, wo wir einen Parkplatz finden.«
    Als wir endlich das vereinbarte Grand Hotel betreten, ist Anneliese wie der Igel im Märchen längst am Ziel und sitzt in einer Ecke der Hotelhalle, wo sie eine gute Übersicht hat. Sie winkt uns heftig zu und kann mit ihrem Bericht kaum warten, bis wir bestellt haben. Vor ihr steht bereits ein Glas Campari.
    »Die Ölscheichs könnt ihr vergessen«, beginnt sie, »die sind im Frühjahr alle an der Côte d’Azur. Nur noch ein einziger ist hier, ein gewisser El Latif bin Irgendwas, der sich in einer Klinik behandeln läßt. Ich tippe mal auf Rundumerneuern mit Fettabsaugen.«
    Schon will ich den Schmuck abnehmen, denn das enge Collier de chien aus weißer Koralle drückt mir schier den Hals zu. Doch Anneliese stoppt mich mit einer gebieterischen Geste, in ihren Augen leuchtet Triumph.
    »Keine Panik, meine Liebe! Heutzutage wimmelt es hier von neureichen Russen. Und ihre Frauen lieben es, möglichst viel Schmuck zu tragen. Mensch, was haben wir einen Dusel, schaut doch mal, da kommen schon welche!«
    Ruckartig drehen wir alle drei den Kopf zur Eingangstür, die der Portier für ein mondänes Paar aufhält. Der Mann ist ein wenig feist, zwischen Vierzig und Fünfzig und nicht direkt herausgeputzt, aber Rudi identifiziert sofort die Rolex am Handgelenk und die Nobelmarke der übergroßen, getönten Designerbrille. Seine Begleiterin ist etwa zehn Jahre jünger als er. Von Understatement oder distinguierter Eleganz kann bei ihr nicht die Rede sein. Sie ist schlank, aber nicht ohne weibliche Kurven, blondiert, stark geschminkt und dank Stilettos größer als er. Der kurze Rock und die Kostümjacke haben sicher ein Vermögen gekostet, Gold glänzt am Hals, an den Ohren und Fingern. Sie genießt es offensichtlich, daß sie die Blicke auf sich zieht, und bleibt eine Weile mitten im Raum stehen. Ihr Partner sucht eine freie Sesselgruppe.
    »Zufrieden?« fragt Anneliese stolz. »Die Russen kamen schon im 19. Jahrhundert gern nach Baden-Baden, manche besaßen sogar eigene Häuser. Der Kurort war fast eine russische Kolonie, und heute ist es nicht viel anders. Die berühmtesten russischen Dichter haben hier ihr Geld verspielt, selbst die Zarin Elisabeth hat die sogenannte Sommerhauptstadt Europas besucht.«
    »Hast du den Baedecker auswendig gelernt?« frage ich.
    Aber ihr Wissen stammt vom Taxifahrer. »Man sieht sie auch heute gern«, erzählt Anneliese, »nur sind sie leider nicht mehr so kultiviert wie damals. Immerhin geben sie viel Geld aus. Der Kaviarverbrauch der Hotelküchen hat sich vervielfacht, jeder fünfte Gast der Luxushotels stammt aus Moskau, und so manche Slawistin hat einen Job in einer Parfümerie oder Edelboutique gefunden.«
    Mir fällt ein, daß russische Kunden heutzutage auch Höchstpreise für Maler des 19. Jahrhunderts zahlen.
    Inzwischen hat sich der mutmaßliche Russe für einen Tisch entschieden, rückt seiner Partnerin den Sessel zurecht und winkt den Kellner herbei. Dabei schaut er ein paarmal auf die Uhr und immer wieder zur Drehtür. Anneliese und ich müssen uns beherrschen, damit wir unsere Opfer nicht allzu auffällig anstarren, während Rudi allmählich Angst vor der eigenen Courage bekommt.
    »Kinder, Kinder, das ist doch der reine Wahnsinn!« jammert er. »Ich kann mich doch nicht einfach vor denen aufbauen und wie ein Zauberkünstler das Diadem aus dem Ärmel schütteln!«
    »Ach was, du Hasenfuß«, sage ich energisch, »du sollst mit ihnen reden, nicht zaubern! Die sprechen sicher Englisch, wenn nicht sogar Deutsch. Außerdem sollte man nichts übereilen und erst einmal auf Beobachtungsposten bleiben.«
    Ein zweites Paar betritt den Raum, ähnlich gekleidet, die Frau jedoch dunkelhaarig. Man begrüßt sich überschwenglich und in bester Ferienlaune. Die Brünette nimmt

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