Ladylike
gelästert, bis ich wegen meiner Hammerzehe ebenfalls in breite, weiche Treter schlüpfen mußte.
»Und hinterher lade ich dich richtig schick zum Essen ein«, sage ich, »damit du nicht immer kochen mußt.«
Das ist zwar nicht ganz im Sinne einer Diät, aber Anneliese ist begeistert. Die Menükarte eines guten Restaurants sei sehr inspirierend, ich soll sie daran erinnern, daß sie ein paar Notizen macht oder besser noch die Speisekarte mitgehen läßt.
Wie immer ist der Schloßpark mein Ziel, ich betrachte ihn schon fast als meinen Privatgarten. Langsam bummeln wir durch die Laubengänge, die wie geschaffen für vertrauliche Gespräche sind.
»Weißt du …« beginnt Anneliese, aber sie fährt nicht mit »noch« fort, sondern sagt: »Es war eigentlich kein guter Einfall von mir, Ewald bei uns einzuquartieren. Man macht sich doch eine Menge Arbeit für einen Gast, und wie wurde es uns gedankt? Läßt sich bei uns verköstigen, um dann den restlichen Abend mit einer jüngeren Frau zu verbringen. Sobald er sich wieder meldet, sage ich klipp und klar, daß er seine Sachen nicht auf unserem Dachboden abstellen darf. Wie denkst du darüber?«
Ich nicke nur und spreche meine Gedanken schließlich auch aus. Es ist zwar gelegentlich nett, einen charmanten Freund zu beherbergen, aber besser nicht als Dauerzustand. Und junge Männer sind eigentlich viel unterhaltsamer.
»Stimmt. Am lustigsten war es doch mit Rudi in Baden-Baden«, sagt Anneliese, »dort habe ich begriffen, daß wir noch viel nachholen müssen. Unsere eigene Jugend in den 50er Jahren war – im Vergleich zu der heutigen Generation – reichlich dumpf, unsere Ehen waren stickig, soll unser Alter auch noch muffig werden? Wir müssen uns etwas ausdenken, was Spaß macht und in Schwung hält, ohne uns dabei zu überfordern.«
»Völlig richtig«, pflichte ich ihr bei, »wir sollten uns einen jungen Hofnarren halten, so wie das hier im Schloß früher üblich war.«
»Man müßte vielleicht mal im Internet suchen«, sagt Anneliese.
»Oder beim Arbeitsamt anrufen«, fällt mir ein.
Im Restaurant setzt sich Anneliese begeistert an den gedeckten Tisch, und wir fangen hungrig damit an, winzige Weißbrotscheiben mit gewürztem Schmalz zu bestreichen. Anneliese hat ihre Brille vergessen, und ich lese ihr das festliche Menü vor:
Parfait von Entenbrust und Entenleber
im Pistazienmantel an Apfel-Sultaninensalat
Samtsuppe »Lady Curzon« mit Seezungen-Lachsroulade
Gefüllter Kaninchenrücken mit Steinpilzen
auf Sherrysauce an glacierten Pastinaken
und Buchweizenpolenta
Tatar vom Tortenbrie mit Radieschen
und Staudensellerie
Millefeuille vom weißen Kaffeemousse
mit Sorbet
»Schon überredet!« sagt Anneliese. »Keinerlei Einwände, nur die Radieschen werde ich weglassen müssen.«
Ich frage nicht, wie sie es mit den Steinpilzen halten will.
Nach einem Riesling Kabinett bestellen wir eine Flasche Bordeaux.
Anneliese philosophiert: »Natürlich steht man aus Solidarität zunächst auf Seiten der Ehefrau, wenn man von einem Seitensprung ihres Mannes erfährt. Aber dann beichtet uns vielleicht eine gute Freundin, von deren Intelligenz und ethischer Gesinnung wir überzeugt sind, daß sie ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann hat. Wenn man nun ihre Version zu hören bekommt, sieht die Sache schon ganz anders aus. – Wer weiß, wie alt diese Yola eigentlich ist und ob sie Ewald nicht aufrichtig liebt.«
Bei so viel Mitgefühl und Edelmut muß ich ihr einen kleinen Dämpfer verpassen. »Auch ohne aufrichtige Liebe hättest du dich sofort mit Ewald eingelassen«, behaupte ich, »nur war er leider nicht an Matronensex interessiert.«
Anneliese bestreitet das nicht direkt, aber schließlich spricht sie das heikle Thema doch noch an: »Zwischen Wollen und Können liegt immer eine tiefe Kluft. Wenn wir von Goethe und anderen Giganten einmal absehen, gibt es auch bei Männern eine Grenze. Bei Opas in Ewalds Alter klappt es oft nur, wenn sie Frischfleisch wittern und zusätzlich Viagra einwerfen!«
Als Frischfleisch kann man uns beide seit einem halben Jahrhundert nicht bezeichnen, selbst Annelieses Töchter gehören nicht mehr in diese Kategorie.
»Mit Fünfundvierzig brauchte ich die erste Lesebrille«, erzählt sie, »und habe es schicksalsergeben hingenommen. Als aber an Weihnachten meine Älteste ihr nagelneues Brillenetui öffnete, mußte ich weinen.«
Ich will sie ein wenig aufheitern. »Wenn du so abfällig vom Jungbrunnen alter
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