Längst vergangen: Thriller (German Edition)
Street in den Speicherbezirk fahre. Ich spüre, wie mein Puls in meinem Kopf widerhallt und ein dumpfer Schmerz mitten in meiner Brust aufsteigt.
Ich rufe mir ins Gedächtnis, dass Gabby ein Freund ist.
Es hilft ein bisschen.
Hier gibt es keine Straßenlaternen, und die Gebäude tauchen aus der Dunkelheit auf und verschwinden wieder darin, während ich vorbeifahre. Laut Wegbeschreibung sollte ich mich Richtung Westen halten, bis ich die Eisenbahnschienen überquert habe, dann nach Norden abbiegen und nach dem Schild Ausschau halten.
Er sagte, es sei leicht zu finden.
Als ich ein Kind war, hatte Gabby einen Schrottplatz fünfzig Kilometer vor der Stadt. Er hatte ein selbstgemaltes Schild am Eingang, auf dem stand, man finde dort alles, was man braucht, und er hatte vermutlich recht.
Der Platz schien endlos zu sein.
Ich verbrachte dort Stunden, wanderte durch ein Meer aus verschrotteten Fahrzeugen und Berge von verrosteten Haushaltsgeräten. Immer gab es etwas Neues zu erkunden und Schätze zu entdecken.
Als ich ein paar Jahre älter war, erzählte mir mein Vater, dass man auf Gabbys Schrottplatz nicht nur alles findet, was man braucht, sondern auch alles loswerden kann.
Gegen Bezahlung.
»Da draußen sind mehr Leichen begraben als drüben auf dem Fairview-Friedhof«, sagte er. »Eines Tages steht der Platz in sämtlichen Nachrichten, wart’s nur ab.«
Er lachte, als er mir das erzählte, aber ich nicht.
Über Gabby gab es nichts zu lachen.
Schon als Kind wusste ich, dass etwas mit ihm nicht stimmte, aber mein Vater schien es nicht zu bemerken. Wenn er einen wahren Freund in seinem Leben hatte, dann war das Gabby, und er vertraute ihm voll und ganz. Als ich zwölf war und mein Dad zum ersten Mal in Haft musste, nahm Gabby mich bei sich auf.
Vier Jahre wohnte ich bei ihm, bis ich selbst auf die schiefe Bahn geriet und in der Jugendstrafanstalt landete.
Gabby kam manchmal zu Besuch, und einmal sagte er sogar, er betrachte mich als einen Sohn. Jetzt, auf der Fahrt durch diesen verlassenen Teil der Stadt, kann ich nur hoffen, dass er noch genauso empfindet.
Ich überquere die Bahngleise, dann biege ich rechts ab und fahre Richtung Norden, bis ich einen zweistöckigen Bau mit einem handgemalten Schild sehe.
Gabriels Holzmöbel nach Maß.
Gabby hatte recht. Es war leicht zu finden.
An der Seite des Baus umgibt ein schweres Stahltor eine große gepflasterte Fläche mit Laderampe. Ich fahre daran entlang, um es aus der Nähe zu sehen, dann halte ich auf dem Parkplatz vis-à-vis und schalte den Motor aus.
Es ist ruhig, und ich höre, wie mein Herz gegen die Rippen schlägt. Ich schließe die Augen einen Moment lang, dann öffne ich die Tür und trete hinaus. Der Wind, der zwischen den leeren Gebäuden entlangstreicht, ist kalt und riecht nach Asphalt und Öl.
Ich atme ihn tief ein und versuche, mich zu konzentrieren. Meine Füße wollen sich nicht bewegen.
Die zwei Männer, die meinen Finger abgeschnitten haben, sind drinnen, das bedeutet, die Antworten, die ich suche, sind drinnen.Ich weiß nicht, ob sie diejenigen sind, die Diane getötet haben, aber heute Abend finde ich das raus – komme, was wolle.
Ich bleibe eine Weile bei meinem Wagen und starre hoch zum Netz aus dunklen Fenstern an den Gebäuden, die die Straße säumen. Ich versuche, das Gefühl abzuschütteln, dass ich beobachtet werde, aber es fällt mir schwer.
Schließlich überquere ich die Straße zu Gabbys Haus und gehe zum Eingang. Am Türrahmen ist ein schwarzer Knopf. Ich drücke ihn und höre einen Summer von weit weg.
Ich höre mehrere Schlösser klicken, und dann geht die Tür auf. Der Junge, der drinnen steht, sieht jünger aus als meine Studenten. Er trägt ein Schulterholster, und ich erkenne den Griff der Waffe an seiner Achselhöhle.
Eine Minute stehen wir einfach so da.
»Was wollen Sie?«
»Ich suche Gabby.«
Er starrt mich an, rührt sich nicht.
Ich sehe an ihm vorbei in die Dunkelheit. »Ist er da oder nicht?«
Die Augen des Jungen weiten sich nur eine Sekunde, dann lächelt er. Das Lächeln kenne ich. Man hat ihm einen Job aufgetragen, und darum fühlt er sich als King. Er weiß, er braucht sich von niemandem irgendwelchen Scheiß bieten zu lassen.
Ich weiß das, denn vor zehn Jahren war ich das.
Er macht den Mund auf, um etwas zu sagen, aber ich würge ihn ab: »Nein, sag nichts. Hol ihn einfach.«
Der Junge hört auf zu lächeln. »Wer zum Teufel sind Sie?«
Ich will es ihm gerade sagen, aber da höre ich,
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